piwik no script img

Kommentar VideoüberwachungMehr Schaden als Sicherheit

Kommentar von Svenja Bergt

Es geht nicht um die Aldi-Mitarbeiter. Das Filmen weiblicher Kunden in kurzem Rock ist Teil einer öffentlichen Überwachungsstruktur, die einen solchen Missbrauch zulässt.

D ieses Mal also Aldi. Mitarbeiter sollen weibliche Kunden gefilmt haben, die zum Beispiel in kurzem Rock vor einem Regal knieten. Lagerarbeiter sollen überwacht und das Eingabegerät für die Geheimzahl im Kassenbereich aufgenommen worden seien. Aldi rechtfertigt sich, das Fehlverhalten eines Einzelnen könne eben nicht ausgeschlossen werden. Doch die Diskussion darüber, ob es sich nun um Einzelfälle handelt, geht an der Sache vorbei. Das Problem ist vielmehr die Überwachungsstruktur in der Öffentlichkeit, die derartigen Missbrauch möglich macht.

Die Videoüberwachung im Supermarkt – und da ist Aldi kein Einzelfall, wie die Skandale der vergangenen Jahre zeigen – ist von einem gesunden Verhältnis zwischen einem vermeintlichen Sicherheitsgewinn auf der einen und dem Schaden oder Missbrauchspotenzial auf der anderen Seite weit entfernt.

Nicht nur die großen Ketten, fast jeder Spätkauf hat heute eine Kamera in seinem Laden hängen und filmt damit Regale, Kunden, Mitarbeiter, manchmal auch ein Stück Gehweg samt Passanten, oft ohne darauf hinzuweisen. Schon gar nicht wissen die Betroffenen, ob nur gefilmt oder auch gespeichert wird und was mit dem Material passiert.

Svenja Bergt

ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz.

Videoüberwachung ist billig, vor allem im Vergleich zu Personal. Das macht sie beliebt, nicht nur bei Supermarkbetreibern. Doch die Kameras verhindern keine Straftaten. Auch das Sicherheitsgefühl steigern sie nicht wesentlich, das ergab eine Untersuchung im öffentlichen Nahverkehr. Manchmal – aber nicht einmal in jedem Fall – kann die Videoüberwachung zur Aufklärung beitragen. In erster Linie führt sie zu einer Verlagerung der Taten.

Spätestens das zeigt: Videoüberwachung ist eine Maßnahme, die so sehr die Persönlichkeitsrechte von Menschen beschneidet, dass sie nur ganz ausnahmsweise eingesetzt werden sollte. Beim potenziellen Diebstahl einer Packung Nudeln ist das sicher nicht notwendig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • C
    carn

    Geniale linke Logik, hauptsache das gewünschte Ergebnis kommt raus:

    "Doch die Kameras verhindern keine Straftaten. Auch das Sicherheitsgefühl steigern sie nicht wesentlich, das ergab eine Untersuchung im öffentlichen Nahverkehr. Manchmal – aber nicht einmal in jedem Fall – kann die Videoüberwachung zur Aufklärung beitragen. In erster Linie führt sie zu einer Verlagerung der Taten."

     

    Der erste und letzte Satz sind herrlich:

    "Doch die Kameras verhindern keine Straftaten."

    "In erster Linie führt sie zu einer Verlagerung der Taten."

     

    Wenn man also den Supermarkt mit kameras zupflastert, mindert das Straftaten innerhalb des Supermarktes, stattdessen werden die Straftaten möglicherweise woanders begangen.

    Es mag zwar sein, dass die Kunden und Besitzer des Supermarktes verpflichtet sind, die Wet zu einem besseren Ort zu machen. Aber erstmal ist der Supermarkt daran interessiert und dazu verpflichtet (aus Interesse der ehrlichen Kunden) Straftaten im Supermarkt vorzubeugen. Und wenn Kameras die Straftaten von innerhalb des Supermarktes nach außerhalb verlagern (wobei das zu beweisen wäre, denn Ladendiebstahl kann man nur in Läden begehen, ergo findet keine einfache Verlagerung der Straftaten wie bei Drogenhandel statt, den man einfach an der nächsten Ecke weiterbetreiben kann), ist der Einsatz von Kameras in gewissem Maße sehr wohl im Interesse des Supermarktes als auch der Kunden.

     

    Aber in linker Logik wird so ein der Gesamtschlussfolgerung - Kameras sind böse und bringen nichts - widersprchender Punkt - Kameras nutzen dem Supermarkt und den ehrlichen Kunden, solange sie nicht missbraucht werden - einfach ignoriert.

     

    (Heisst nicht, dass man nicht insgesamt gegen Kameras sein könnte, nur darf man halt die Vorteile nicht ignorieren. Und ich kauf lieber wo ein, wo ordentlich überwacht wird.)

  • PB
    Pater Brown

    "Lagerarbeiter sollen überwacht und das Eingabegerät für die Geheimzahl im Kassenbereich aufgenommen worden seien." - Das Eingabegerät "sollen" aufgenommen worden - und auch noch "seien"?

    "Nicht nur die großen Ketten, fast jeder Spätkauf hat heute eine Kamera." - Die großen Ketten "hat" eine Kamera?

  • O
    ohno

    Ja, aber denkt denn keiner an die Kinder?!?

  • EA
    Enzo Aduro

    Das Versuchungspotential bei Diebstahl ist für das Personal gigantisch.