Kommentar Verkauf „Washington Post“: Eine neue Ära beginnt
Die „Post“ steht für investigativen Journalismus. Durch ihren Verkauf ist die vierte Gewalt in den USA gefährdet. Doch es gibt Hoffnung.
N ur noch die New York Times erfüllt die demokratische Wächterfunktion so ausgewiesen wie die Washington Post. Ihre widerständige Geschichte beginnt mit Watergate, geht über die Aufdeckung von geheimen Folterknästen in osteuropäischen Ländern und unhaltbaren Zuständen in Militärkrankenhäusern und aktuell diskutiert die Zeitung die Überwachungsmaschinerie der USA.
Es wundert also nicht, dass Wikileaks die Washington Post nutzte, um geheimes Datenmaterial zu veröffentlichen. Oder dass Edward Snowdens Vater bisher nur mit einer einzigen Zeitung gesprochen hat, eben jener Grande Dame des investigativen Qualitätsjournalismus, der Post, wie sie in den USA genannt wird.
Seit Montag ist bekannt, dass die Zeitung nicht länger im Besitz der Gründerfamilie Graham ist, sondern an den Amazon-Gründer Jeff Bezos verkauft wird. Ein Dammbruch. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die klassischen Geschäftsmodelle von Zeitungen an ihr Ende kommen. Selbst wenn sie, wie im Falle der Post, über lukrative Nebengeschäfte verfügen und die Besitzer in allererster Linie ihre Verantwortung als Verleger wahrnehmen - und erst dann ans Geldverdienen denken.
Der Verkauf erschüttert auch, weil damit nur noch die New York Times übrig bleibt als Qualitätsblatt. Und auch hier mehren sich die Gerüchte, dass die Sulzberger-Familie einen Verkauf erwägt. Was bedeutet das für ein Land, das von einem Präsidenten regiert wird, der noch weniger Pressekonferenzen gibt als George Bush? Und stattdessen Twitter und andere digitale Kanäle nutzt, um seine politischen Botschaften in die Welt zu senden, ohne sich dabei den kritischen Nachfragen von JournalistInnen stellen zu müssen.
Ein Mann mit Sinn für technische Innovation
Nichts Gutes. Zumal dort inzwischen Menschen, die auf die Verbrechen des Staates hinweisen, mit der Todesstrafe rechnen müssen. Und was bedeutet es für Wikileaks, wenn es keine Plattformen mehr gibt, die deren Inhalte publizieren, weil Goolge und Facebook vom Staat hart reglementiert werden können? Es bedeutet, dass die USA Gefahr laufen, ihre vierte Gewalt zu verlieren, die die Machenschaften der herrschenden Klasse bislang kritisch begleitet und sehr viel Geld investiert hat, um Menschenrechtsverletzungen oder Gesetzesbrüche aufzudecken.
All diese Fragen bekommen durch den Verkauf der Post eine enorme Dramatik. Neu sind sie aber nicht. Denn es war klar, dass der bisherige Besitzer Don Graham irgendwann nicht mehr bereit ist, Jahr für Jahr Millionen in einen Betrieb zu stecken, der wohl nie wieder Gewinne erwirtschaften wird. Die Gute Nachricht ist, dass mit Jeff Bezos kein börsenorientiertes Unternehmen einen großen Zeitungstitel gekauft hat, sondern ein Mann mit einem großen Sinn für technische Innovationen.
Es war schließlich das Lesegerät Kindle, das den Erfolg von Amazon weiter ausbaute. So besteht die Hoffnung, dass Bezos sein riesiges Vermögen investiert, um digitale Antworten auf die Zeitungskrise zu finden, die nicht die Abschaffung des Qualitätsjournalismus bedeuten müssen. Sondern vielleicht das Gegenteil ermöglichen durch Geräte, die den modernen Lesegewohnheiten entsprechen und erlauben, vergleichsweise preisgünstig zu publizieren. Dass dabei unter Umständen auch Apple mit seinem IPad Konkurrenz bekommt, könnte ein positiver Nebeneffekt sein.
So wird dieser Montag zwar der Tag sein, an dem der klassische Weg der Washington Post zu Ende geht. Aber vielleicht auch ein Tag, an dem Graham eine mutige und richtige Entscheidung getroffen hat.
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