piwik no script img

Kommentar Verhaftung Ratko MladicSerbien blickt nach Europa

Kommentar von Andrej Ivanji

Die serbische Regierung wird für die Verhaftung Ratko Mladic die Aufnahme in die EU erwarten. Für Staatspräsident Tadic könnte dies wahlentscheidend sein.

R atko Mladic war, nach Osama bin Laden, der meistgesuchte Kriegsverbrecher der Welt. Nun ist er in Haft. Das ist eine gute Nachricht.

Die serbische Regierung wird dafür nun eine politische Belohnung erwarten. Mit der Aussicht auf eine rosige Zukunft seines Landes in der EU konnte Serbiens Staatspräsident Tadic bisher so einige Wahlen zu seinen Gunsten entscheiden. In den vergangen Monaten versprach er den Bürgern Serbiens den EU-Kandidaten-Status und sofortige Beitrittsverhandlungen bis zum Jahresende. Es war ein hochriskantes Pokerspiel. Denn ohne die Festnahme von Ratko Mladic und seine Auslieferung an das UN-Tribunal wäre Serbiens baldige EU-Kandidatur eigentlich nicht denkbar.

Die Staatskasse ist leer, die Wirtschaft steht still, der Staat verschuldet sich immer mehr, eine Armee von über einer Million Arbeitslosen vegetiert von Tag zu Tag, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die soziale Misere werden immer größer, die Wut wegen des Verlusts des Kosovo ist nicht abgeflaut.

Andrej Ivanji

ist taz-Korrespondent in Belgrad.

Die Reform des Justizsystems, der Kampf gegen Korruption und das organisierte Verbrechen kommen nicht so richtig voran. Ein wichtiges Hindernis auf dem Weg in die EU hat Tadic nun aus dem Weg geräumt. Doch nur wenn er den Integrationsprozess seines Landes weiter vorantreibt, haben Tadic und andere proeuropäische Politiker eine Chance, in Belgrad an der Macht zu bleiben. Andernfalls könnten dort wieder diejenigen die Macht ergreifen, für die Ratko Mladic noch immer ein Volksheld ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondent Belgrad
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • U
    Uralmine

    @Pakalino: "Das heutige Serbien ist nicht Milosevic's Serbien"

     

    Wie beruhigend. Da kann man ja über die paar Pro-Mladic- und Pro-Karadzic-Demos in serbischen Dörfern und Städten glatt hinwegsehen, wie?

     

    Anders als im Falle Milosevic handelt es sich bei den beiden Herren ja in Wahrheit um nationale Volkshelden, da kann man sich schon mal darüber aufregen, dass die jetzt auch noch ins Gefängnis kommen sollen.

     

    "Ein Serbien in der EU" - wenn ich das schon höre! Was hat Serbien denn jemals für das Anrecht auf einen EU-Beitritt getan? Widerwillig einen Verbrecher auszuliefern, der seit 15 Jahren im Gefängnis hätte sitzen müssen, ist n bißchen wenig, finden Sie nicht? Was soll das sein, etwa serbischer Geschäftssinn?

  • P
    Pakalino

    Selbst wenn. Das Kosovo-Problem ist nicht gelöst und wird, gesetzt der Fall, Serbien und Kosovo wären in der EU, ein Zankapfel bleiben. Die Unabhängigkeit des Kosovo war ein Fehler. Ein Serbien in der EU, mit den entsprechenden Vorgaben einer wahren Autonomie für die Kosovo-Albaner und Kontrolle durch EU-Instanzen wäre besser gewesen. Das heutige Serbien ist nicht Milosevic's Serbien.

  • M
    Murat

    Logisch das man in die EU will. Wie man momentan sieht bezahlt die EU ja sehr gerne für andere Mitgliedsstaaten. Man sollte die Steuerzahler in der gesamten EU per Volksabstimmung befragen ob Serbien rein darf, alles andere wäre demokratiefeindlich! Wir wollen nicht für die Krise Serbiens zahlen!