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Kommentar Verfahren gegen WulffKleine Korruption

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Anklage gegen Wulff ist eine Art Rehabilitierung für die Staatsanwaltschaft. Doch ihre Herabstufung wirkt wie politische Rücksichtnahme.

Es würde zu Wulff passen, dass er nun um eine Verfahrenseinstellung bittet. Bild: imago/Reiner Zensen

N un also doch: Christian Wulff, der tief gefallene Exbundespräsident und Exministerpräsident, muss mit einer Verurteilung wegen Korruption rechnen. Das Landgericht Hannover hat jetzt die Anklage wegen Vorteilsannahme zugelassen.

Es geht nicht um große Summen und nicht um große Verfehlungen. Falls Wulff verurteilt wird, wäre er nicht als Bösewicht gebrandmarkt, sondern quasi als Kleinkrimineller.

Dass der Fall überhaupt vor Gericht geht, ist aber nicht der Verfolgungswut der Staatsanwaltschaft zuzuschreiben. Diese hätte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage durchaus eingestellt – wie es jährlich in hunderttausenden von Fällen geschieht. Aber Wulff wollte nicht. Wahrscheinlich hat er gehofft, dass die Anklage nicht zugelassen wird. Jetzt ist diese Hoffnung perdu – vermutlich kommt bald Wulffs Wende. Es würde zu ihm passen, dass er auch hier unnötigen Risiken und Kosten aus dem Weg geht und um eine Verfahrenseinstellung bittet.

Für die Staatsanwaltschaft ist die teilweise Zulassung ihrer Anklage eine Art Rehabilitierung. Das Landgericht bestätigt nun, dass die Ermittler zu Recht einen Anfangsverdacht gegen Wulff bejaht und den Sachverhalt ausermittelt haben. Von den vielen geprüften Vorwürfen musste die Staatsanwaltschaft zumindest diesen einen recht eindeutigen Fall nicht zu den Akten legen.

Im Vergleich war die ursprüngliche Anklage sogar überzeugender als der jetzige Beschluss des Landgerichts. Groenewold hat den chronisch klammen Freund aus der Politik erst eingeladen und am nächsten Tag um geschäftliche Unterstützung gebeten. Wer da nicht an Leistung und konkrete Gegenleistung denkt, ist weltfremd. Insofern wirkt die Herabstufung der Anklage zur bloßen Vorteilsannahme wie eine politische Rücksichtnahme.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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7 Kommentare

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  • HK
    Hans Klemm

    Wulff – Gewinner oder Verlierer bei der „Staatsaffäre“?

     

    Nun schon 19 Monate steht unser früherer Bundespräsident Wulff schon im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und auch als Ex-Funktionsträger mit der höchsten Rangordnung unseres Landes erstmalig wohl auch vor den Schranken eines Landgerichtes.

     

    Wie Blutsauger hatten die allseits besonders bekannten Printmedien auf der Dauersuche nach auflagestarken und damit auch gewinnbringenden Skandalberichten plötzlich einen ganz großen Fisch an der Angel, dem man in früheren Jahren (!) als Ministerpräsident plötzlich private Ungereimtheiten nachsagte. Wie Pilzsammler wurde dabei nach weiteren Vergehen gesucht, die ihm noch angelastet werden könnten. Wie angepinkelt zu werden, musste der arme Kerl fast jede Anfrage, (z.B. wer das Mittagessen, anlässlich der Trauerfeier für den Fußballer, R.Enke, bezahlte!!), beantworten, das die Medien auch noch mit „Salamitaktik“ bewerteten! Die Meinungen aus dem Volk wurden immer mehr zwiespältig.

     

    Die im Raum stehende Summe von knapp 800 € der vermutlichen Vorteilannahme muss nun vom Gericht bewertet werden.Ja, das blieb aus der groß angekündigten „Staatsaffäre“ übrig, bei der allerdings wegen Verleumdung nun die sensationsgierigen Verleger und Chefredakteure verschiedener Redaktionsstuben auf die Anklagebank gehört hätten…..

     

    Ich würde mir wünschen, dass der sich mit oder ohne Brille leider zum Nachteil stark veränderte Wulff die Sache durchzieht und nicht auf ein erneutes Angebot, das Verfahren einzustellen, hereinfällt, denn die evtl. zu erwartende Strafe bei negativer Entscheidung der Leute unter den langen Roben dürfte weit unter dem „Angebot“ der Einstellung liegen!

     

    Mal sehen, wie der evtl. fast parallel stattfindende „juristische Bestrafungsvergleich“ zwischen Hoeneß und Wulff ausgehen wird………

    • @Hans Klemm:

      Bitte helfen Sie mir, wo ist der Sinn Ihres Kommentars? Denn die strafrechtliche Seite stand doch niemals im Vordergrund. Es ging viel mehr um die Frage, ob der Mann und Maschmeyer-Kumpel ein geeigneter Bundespräsident war oder nicht.

       

      Und finden Sie, das war er? Hätte er im Amt bleiben sollen nach Sichtbarwerdung seiner Mitnahme-Mentalität?

  • RK
    Richard Kotlarski

    "Der Aufwand dieses Verfahrens widerlegt jedenfalls die Vermutung, dass die Justiz immer die Kleinen hängt und die Großen laufen lassen will. Mehr als zwanzig Ermittler waren im Einsatz, etwa hundert Zeugen wurden vernommen, die Akten umfassen mehr als 20.000 Blatt. Das ist eine Aktenflut, wie sie von Ermittlungsverfahren aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität oder der Wirtschaftskriminalität bekannt ist. Der maximale Einsatz steht im Fall Wulff im krassen Widerspruch zu den in Frage stehenden Summen. (SZ 14.01.2013)

    Im übrigen kann laut Grundgesetz nur das BVfG und nicht die BILD einen Bundespräsidenten absetzen und auch das nur im Fall einer schweren Straftat oder eines Verfassungsbruches. Die Annahme von Radieschen fällt nicht darunter.

    • @Richard Kotlarski:

      Ein paar tausend Euro sollen ja angeblich von der Schwiegermutter stammen und ein paar Wochen/Monate irgendwo in einem Holzschrank rumgelegen haben... ;-)

       

      Die Radieschen sind das einzige, was man ihm nachweisen kann. Daraus den Schluss zu ziehen, dass es das einzige ist, was er überhaupt am Stecken hat, ist ... juristisch wohl konsequent, politisch aber jedenfalls fragwürdig. Auch wenn es zuletzt die (Minimal-) Verteidigungslinie von Pfarrer Hintze gewesen ist.

  • Und wer verurteilt die Presse für die übertriebene Hetze gegen Wulff? Korrupt sind doch eh alle.

    • @David Meinhart:

      Übertriebene Hetze? Der Mann muss vor Gericht, sollte der etwa noch unser Bundespräsident sein?

       

      Zum Glück haben wir hier keine Verhältnisse wie in Italien. Das soll bitte auch so bleiben.

    • @David Meinhart:

      Herr Wulff kann doch klagen.