Kommentar Verantwortung für Firmen: Schon die Drohung wirkt
Deutsche Textilhersteller sollen soziale Standards nicht nur propagieren, sondern auch weltweit umsetzen. Das Gesetz wäre ein Fortschritt.
E in erstaunlicher Gesetzentwurf kommt da aus dem Haus von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Einheimische Unternehmen sollen soziale Standards und Menschenrechte nicht nur in hübschen Berichten und wohlklingenden Werbeslogans propagieren, sondern weltweit umsetzen. Das würde der Wirtschaft erhebliche Mühen und Kosten verursachen. Eine Frage ist nun, ob Müller sein Vorhaben ernst meint.
Beschäftigten in Deutschland geht es ziemlich gut – trotz allem. Das liegt auch daran, dass ein großer Teil der miesen und billigen Produktion von Konsumgütern in ärmere Länder ausgelagert wurde. Die hiesigen Bürger*innen und Verbraucher*innen profitieren von dieser Art der Globalisierung. Wohlstand und Lebensqualität bei uns basieren auf Armut und Umweltzerstörung in anderen Teilen der Welt.
Müller betrachtet diesen Widerspruch als Problem – und den Hinweis auf die christlichen Werte im Namen seiner Partei als politische Verpflichtung. Kurz nach seinem Amtsantritt vor fünf Jahren gründete er das Bündnis für nachhaltige Textilien, mit dem er die Mitgliedsfirmen dazu bringen will, soziale und ökologische Standards der globalen Produktion zu erhöhen.
Diese Veranstaltung ist bisher im Wesentlichen freiwillig. Deshalb dauert alles ziemlich lange. Gemessen an seinen öffentlichen Äußerungen ist Müller darüber zunehmend verärgert – deshalb jetzt dieser Gesetzentwurf. Zwei Varianten sind nun möglich. Der Text könnte als Drohkulisse dienen, um den Bekleidungskonzernen und anderen Branchen auf die Sprünge zu helfen. Oder dem Minister ist daran gelegen, das Gesetz auch gegen Widerstände tatsächlich durchzudrücken.
Das würde nicht einfach. Wirtschaftsorganisationen wie der Gesamtverband Textil und Mode dürften schon dabei sein, die Messer zu wetzen. Patrick Zahn, Chef des Textildiscounters Kik, ist einer der wenigen Manager, die ein solches Gesetz gutheißen. Aus dem Prozess gegen sein Unternehmen wegen des Fabrikbrandes in Pakistan 2012 hat er den Schluss gezogen, dass er nicht alleine für die Missstände in der globalen Textilindustrie am Pranger stehen möchte. Alleine diese Einsicht eines Unternehmers zeigt, welchen Fortschritt das Gesetz bedeutete, käme es durch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht