Kommentar VW-Strategie: Neuer PR-Sprech aus Wolfsburg
VW-Chef Müller basht den Autolobbyisten Matthias Wissmann. Er macht es sich dabei zu einfach und lenkt von eigenem Versagen ab.
I n den USA hätte VW-Chef Matthias Müller Weihnachten wahrscheinlich – wie zwei seiner Manager – im Gefängnis verbracht. Da verwundert es schon, wie der Chef des weltgrößten Autobauers den Chef seines Branchenverbands nun via Interview mit einem Tritt in den Hintern in den Ruhestand befördert.
Es geht um Matthias Wissmann. Kohls seinerzeitiger Verkehrsminister ist seit zehn Jahren Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) – und hat seinen Job eigentlich ausgezeichnet gemacht: Er agierte als Buhmann und größtmöglicher Speichellecker der betrügerischen Branche. Trotz Dieselgate argumentierte Wissmann, wegen verpesteter Innenstädte müsse man sich in Deutschland keine Sorgen machen, die Luft sei „besser denn je“. Er redet den Dieselskandal auch noch in seinem dritten Jahr klein – und lobbyierte in Berlin und Brüssel erfolgreich gegen eine nachhaltige Mobilitätspolitik.
Im 600 Mitglieder starken VDA ist der Unmut gegen Wissmann dennoch seit Langem groß – der 68-Jährige geht auch in wenigen Monaten in Rente. Müllers Wissmann-Bashing ist deshalb kinderleicht. Wirklich schwer ist es für die Branche, etwas zu beschönigen. Der CO2-Ausstoß im hiesigen Verkehr ist höher als 1990, den Umstieg zu wettbewerbsfähigen und ökologischen Verkehrskonzepten hat die Industrie systematisch verpennt. Im Ernst: Wann haben Sie zuletzt darüber nachgedacht, sich ein Auto made in Germany zu kaufen? Noch nie? Kein Wunder, die gelten als teuer, unsexy – und viel zu schmutzig.
Und so reiht sich die Äußerung Müllers wohl in ein neues PR-Sprech ein, das nach neuer Wolfsburger Nachdenklichkeit klingen soll. Von der FDP musste sich der VW-Mann sogar als „Diesel-Judas“ titulieren lassen, weil er die Steuervorteile für Diesel angezweifelt und eine Umweltplakette gefordert hatte, die Stinker aus den Citys aussperrt. Noch sind das alles nur Binsen. Hoffentlich macht VW daraus das Auto der Zukunft.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!