Kommentar VW-Milliarde: Das falsche Land
Niedersachsen und VW sind nicht nur über die Staatsbeteiligung verbandelt. Nun profitiert das Land von einem Betrug, den es mit zu verantworten hat.
V erbrechen darf sich nicht lohnen: Das ist nicht bloß ein Rechtsprinzip, sondern zivilisatorischer Grundsatz schlechthin. Wer dafür sorgt, dass jemand materiellen Vorteil aus seinem gesellschaftsschädlichen Handeln zieht, der untergräbt Gesellschaft an sich. Gemessen daran ist es ein Problem, dass ausgerechnet Niedersachsen das Milliarden-Bußgeld von VW erhält und nicht alle Länder, in denen Bürger*innen durch Dieselabgase geschädigt werden: Wenn es den Länderfinanzausgleich nicht noch ausdünnt, weil Bußgelder steuerrechtlich eigentlich nicht als Betriebsausgaben absetzbar sind, wäre das das Beste, was sich gesamtstaatlich über diese Strafe sagen lässt.
Klar, der Braunschweiger Staatsanwaltschaft blieb nichts anderes übrig. Mangels eines Unternehmensstrafrechts war das Bußgeldverfahren die einzige Möglichkeit, den Konzern zur Rechenschaft zu ziehen. Und dass derartige Einnahmen in die Landeskasse fließen, ist eine für sich genommen gute Regel. So profitiert Bremen fast schon regelmäßig von Bußgeldern der notorisch korrupten Rüstungskonzerne, die sich dort angesiedelt haben.
Beim Braunschweiger Milliardenbußgeld ist das anders. Der Konzern hat nicht nur seinen Sitz in Wolfsburg. Er ist Niedersachsen: Die gesetzlich geschützte Staatsbeteiligung von 20 Prozent, die zwei Aufsichtsratsmandate, die skandalisierte Abstimmung des Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) über Inhalte seiner Regierungserklärungen zum Dieselskandal und sein Lobbying gegen Fahrverbote, das der VW-Aktie nützt, bestätigen das immer wieder.
Die Folgekosten des Betrugs tragen alle gemeinsam. Das Geld sackt jedoch das Land ein, das auch die dank Betrügereien erwirtschafteten Höchstdividenden bis 2014 kassiert hat, an die VW mittlerweile fast wieder anknüpft. Und in den mit der Milliarde machbaren Wohltaten wird sich ein Ministerpräsident sonnen, der als Aufsichtsrat weniger kontrolliert als Schmiere gestanden hat: Der falsche Mann. Und das falsche Land.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos