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Kommentar Urteile des BVerfGDie Würde der Rauflust

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Bundespräsident darf Nazis Spinner nennen, wenn er es für nötig hält. Doch bei seiner Wahl sollen alle brav den Mund halten. Das passt nicht.

Noch besser wäre, das BVerfG erlaubte auch, Joachim Gauck einen dauergrinsenden Grüßaugust zu nennen. Bild: dpa

D er Bundespräsident darf Klartext reden, wenn es um die Verteidigung der Demokratie geht. Er muss sich dabei nicht künstlich neutral ausdrücken, sondern darf Nazis auch mal als Spinner bezeichnen oder die Bürger zu Demos aufrufen.

Diese Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zu begrüßen. Alles andere wäre absurd. Ein Bundespräsident, der nur kraft seiner Worte wirken kann, darf in der Wortwahl nicht durch kleinliche Vorgaben beschnitten werden. Er muss klar sagen können, auf wen sich seine Kritik bezieht. Und er muss deutliche Worte benutzen dürfen.

Im Ergebnis ist das Urteil also ein Erfolg für den rauflustigen Bundespräsidenten Joachim Gauck, der sich nicht nur mit der NPD, sondern auch schon mit der rechtspopulistischen AfD anlegte. Dass die Karlsruher Richter so schnell eine mündliche Verhandlung ansetzten, kann man aber auch als Warnung sehen, dass er es nicht übertreiben solle.

Im zweiten Verfahren, das Karlsruhe am Dienstag entschied, ging es ebenfalls um den Bundespräsidenten. Bei dessen Wahl in der Bundesversammlung sind Vorstellungsreden der Kandidaten verboten, entsprechende Anträge sind zu ignorieren, entschied das Karlsruher Gericht. Das gebiete die „Würde“ des Amtes.

Die beiden Urteile passen nicht recht zusammen. Einerseits darf der Bundespräsident rauflustig auftreten, wenn er es für nötig hält. Andererseits sollen bei seiner Wahl alle brav sein und den Mund halten. Die Würde eines demokratischen Amtes sollte aber nicht von derartigen undemokratischen Weihevorstellungen abhängen.

Dem Bundesverfassungsgericht ist hier jedoch kein Vorwurf zu machen. Es steht nun mal im Grundgesetz, dass der Bundespräsident „ohne Aussprache“ gewählt wird. Dieses vordemokratische Diskussionsverbot gehört aber schleunigst abgeschafft.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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7 Kommentare

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  • Einen Bundespräsidenten braucht niemand . Dessen Funktion könnte auch der Außen- und Innenminister ausüben . Waren die Nazis nach dem Krieg nicht auch in der deutschen Politik vertreten ?

    Damals hat man scheinbar, die"Spinner" in der Politik gebraucht . Je älter man wird , desto klarer wird wie bescheuert die Phrasendrescher der Politik sind . In 30-Jahren steht da vielleicht wieder so einer und erzählt genau das Gegenteil .

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Wenn Gauck nicht gar so selbstherrlich wäre...

    Der schreckt ja auch nicht davor zurück, demokratische Bewegungen wie Attac oder Occupy und generell Bürgerproteste zu diffamieren. Das relativiert seine Äußerungen über die NPD natürlich. Gauck ist als Nazigegner unglaubwürdig, weil es ihm nicht um Inhalte geht. Der will sich nur möglichst unangreifbar darstellen und politisch unauffällig bleiben, wie er es ja in der DDR auch gemacht hat, bevor der Wind drehte. Genau dieselbe Strategie wie Teflon-Merkel.

    Zwei vom Staate traumatisierte regieren den Staat nun selber. Was soll dabei schon rauskommen, als die Beschädigung des Staates?

  • Auch Gauck hat einiges dazu beigetragen, dass die "Würde" dieses Amtes so ziemlich den Bach runterging...

    Außerdem, ich bin eh für grundsätzlich mehr Meinungsfreiheit, er soll das sagen dürfen. Ich darf Stil und Duktus dann trotzdem rüpelhaft, vulgär und unangemessen finden, und das wiederum auch sagen.

  • Gauck nennt die NPD "Spinner" (Ein Bürger, der zu einem Polizisten "Sie Spinner!" sagt, zahlt dagegen 1.600 € Bussgeld. Steinmier brüllt wie ein Prolet auf dem Alex Demonmstranten an, als er erwischt wird, Bundeswehr-Soldaten als OSZE-Mission getrant zu haben, die gegen das Wiener Dokument in der Ukraine im Bürgerkrieg ohne OSZE-Auftrag spioniert haben.

    Die Sitten der Spitzenpolitiker verrohen, von höchsten Gerichten gedeckt. Wie in Weimar, wo ein SPD-Innenminister sich erblödete "Einer muss den Bluthund machen!". Und was war das Ergebnis: die Proleten auf den Straßen und in der Politik haben den Nazis den Weg bereitet. Und bei der Europawahl letze Woche: auf breiten Front großer Aufwuchs des rechten Randes. Bravo Herr Gauck, tolles Ergebnis des Mannes mit der Scheinehe in Rostock, mit der er die Sozialsysteme schädigt und dem unser Grundgesetz (Schutz der Ehe) und die 10 Gebote nicht viel bedeuten.

    Und das Bundesverfassungsgericht? Verbotsverfahren der NPD verhindert (anders als bei der KPD), aber Unflat darf man über sie von hohem Amte kippen. Absurde Politk und Justiz.

  • Ne Frage: Ich dürfte nicht sagen, dass die NPD ein SpinnerHaufen ist? Auch nicht, dass der Gauck spinnt? Schade!

  • Als Bürger sollte man sagen und nicht nur sagen dürfen, dass unsere Rechtsradikalen falsche Ziele mit falschen Mitteln verfolgen. Am Stammtisch kann dann auch mal verbal zugelangt werden. Dass der Bundespräsident zu solchen Verbalinhurien greift und dies auch darf, ist ein Mosaikstein im allgemeinen Bild, dass die Exekutive sich mehr und mehr Immunität aneignet, die bei den Parlamentariern zunehmend abgebaut wird. Dass dabei das Hohe Gericht mitspielt, ist systemkonform, wird und wirkt aber eben deshalb auch nicht besser - ganz abgesehen davon, dass diese Formulierungen kein Highlight in der Auseinandersetzung mit der NPD sind und schon gar nicht dabei helfen, deren Wähler von etwas Besserem zu überzeugen.

    • @Gottfried Scherer:

      ist es besser politiker halten den mund, drücken sich nur verklausuliert neutral aus? jeder politiker soll sagen, was er denkt und wenns mir nicht passt wird er nicht gewählt. gut der präsident wird nicht von mir gewählt touche, trotzdem politiker sollen und müssen klare worte finden dürfen; die darf jeder doof oder gut finden, das ist demokratie und seine schlüsse draus ziehen.

      und nicht das es jetzt wieder heißt wir haben keine demokratie, ist doch alles sch... steht auf und sagt was! und wenn ein politiker mist erzählt gehört dagegen was unternommen, aber ein redeverbot mit genehmen wortkatalog hilft niemanden, es verändert keine gedanken und verschleiert nur...