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Kommentar Urteil zum BetreuungsgeldJetzt muss der Kitaausbau kommen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld für rechtswidrig erklärt. Die Millionen, die nun frei werden, werden dringend benötigt.

Sie dürfen natürlich weiterhin zu Hause bleiben, die Kleinen. Foto: dpa

D as Betreuungsgeld ist also gekippt. Das ist eine gute Nachricht. Zumindest für alle, die glauben, dass es Kinder in der Kita – unter Gleichaltrigen und mit einem guten Bildungsschatz ausgestattet – besser haben als mit Mami allein im heimischen Kinderzimmer. Zumindest nicht schlechter.

Um diesen politischen, familiären und ideologischen Ansatz ging es dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aber gar nicht. Die oberste Verfassungsbehörde hat vielmehr formell entschieden: Das als „Herdprämie“ diffamierte Betreuungsgeld ist verfassungswidrig und damit nichtig, weil der Bund im Sommer 2013 gar nicht die Kompetenz hatte, das entsprechende Gesetz zu erlassen.

Der Bund konkurriert in der „öffentlichen Fürsorge“ mit den Ländern, er darf zwar Regelungen erlassen, mit denen „individuelle oder existenzielle Notlagen“ verhindert werden. Aber nur dann, wenn damit in der gesamten Bundesrepublik gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden. Oder anders gesagt: Wenn alle etwas vom Betreuungsgeld hätten, wäre es okay gewesen.

So ist das bekanntermaßen aber nicht. Die 150 Euro im Monat bekommen nur jene Eltern, die ihre kleinen Kinder zu Hause betreuen, statt sie in eine Kita zu bringen. Sie erhalten also Geld für etwas, das sie gar nicht in Anspruch nehmen. Und das unabhängig davon, ob es in ihrer Kommune einen Kitaplatz gibt oder nicht.

Auf diese Weise werden keine einheitlichen Lebensverhältnisse geschaffen – und Eltern insbesondere in Regionen mit einem Mangel an Kitaangeboten bekommen trotzdem keinen der begehrten Plätze. Kurz: Die Knappheit an Kitaplätzen behebt die auch als „Fernhalteprämie“ bezeichnete familienpolitische Leistung nicht.

Wollen Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen?

Kippt mit dem Betreuungsgeld auch die viel gepriesene Wahlfreiheit, auf die vor allem Bayern und die CSU gepocht hatten? Natürlich nicht. Alle Eltern können ihre Kinder, so diese noch nicht im Schulalter sind, so lange zu Hause betreuen, wie sie das wollen. Niemand verlangt von Eltern, dass sie ihre Kinder in jedem Fall in die Kita bringen. Schon gar kein Gesetz.

Die Frage jedoch ist: Wollen Eltern zuallererst eine Heimbetreuung? Die Antwort ist durch zahlreiche Studien belegt: Eine überwiegende Mehrheit will das nicht. Vielmehr wünschen sich die meisten Mütter und Väter eine Kita, in der ihre Kinder liebevoll betreut werden, in der ihre Töchter und Söhne altersgerechte Bildungsangebote erhalten und mit anderen Kindern spielen können. Einen Ort also, der ihr ganzes Vertrauen genießt. Übrigens auch viele derjenigen, die aufgrund des fehlenden Kitaplatzes aus purer Verzweiflung das Betreuungsgeld beantragt hatten, um damit eine Tagesmutter zu bezahlen.

Der Kitaausbau ist ein Muss – und eine Aufgabe des Bundes. Die Millionen, die jetzt durch das Betreuungsgeld frei werden, können gut dafür verwendet werden. Auch über die Qualität der Einrichtungen wird gerade viel debattiert. Auch besser ausgebildete ErzieherInnen, pädagogisch wertvolles Spielzeug und gut ausgestattete Kitas kosten Geld. Der Streit um die Verteilung hat längst begonnen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • Tut mir leid, aber ich verstehe die Aufregung um das Betreuungsgeld immer noch nicht. 150 € für Kinder bis max. 3 Jahre?!? Das lockt meines Erachtens niemand an den Herd und schon gar nicht die auch erwähnten, die mit 67 % ihres vorherigen Einkommens ein Jahr ein gutes Auskommen haben. ALG II-Familien haben sowieso nichts davon (außer mehr Papierkram), also sind es vielleicht Familien, die aus welchen Gründen auch immer, es für sich so entscheiden oder wo gerade noch ein kleines Geschwisterkind dazu gekommen ist und ein Elternteil sowieso für das erste Jahr zuhause ist. Oder das Kind vielleicht gesundheitlich nicht so stabil ist, dass beide Eltern (wieder) arbeiten gehen können oder vielleicht auch die Eltern selbst nicht (Stichwort: Belastung Familie und Job!).

     

    Dieser quasi-AußerhausbetreuungsZWANG für sehr kleine Kinder bzw. für die steile Karriere der lieben Kleinen UND der Eltern finde ich sehr bedenklich. Und dennoch habe ich nichts gegen Kinderbetreuung in Kitas oder bei Tagesmüttern und ich bin ganz sicher auch keine Bayern-/CSU-Freundin. Mich nervt nur das Gelaber von "Herdprämie". Wer sagt denn, dass die Eltern dann auch kochen? Mal ganz zu schweigen von der Qualität des Essens in Kitas...

     

    Das wäre mal ein Vorhaben für die Bundesregierung: Gutes, frisches vor Ort gekochtes Essen in allen Schulen und Kitas in Deutschland. Hier regieren überwiegend große Caterer, die für wenig Geld schlechtes Essen liefern (müssen). Für zwei Euro kann ich zuhause ein super Essen kochen, in der Kita bekommt man oft eine Mahlzeit, die den Namen noch nicht mal verdient (beispielhafte Ausnahmen ausgenommen!).

  • "Zumindest für alle, die glauben, dass es Kinder in der Kita – unter Gleichaltrigen und mit einem guten Bildungsschatz ausgestattet – besser haben als mit Mami allein im heimischen Kinderzimmer."

     

    Sie haben schon Recht, Frau Schmollack: Es ist auch eine ideologische bzw. "Glaubens-" Frage. Und aus solchen sollte der Staat sich möglichst raushalten. Das heißt, dass er gefälligst Kinderbetreuung an sich zu fördern hat, und nicht nur die Form derselben, die die eines Seite des Glaubensstreeits für richtig hält.

     

    In diesem Zusammenhang gibt es übrigens ein wenig souveränes Bild ab, wenn Jemand, der sonst immer für die Minderheiten und Unterdrückten besondere Privilegien fordert, eine Minderheitenförderung in dem Moment für unangebracht erklärt, in dem die eigene Ideologie mal mehrheitsfähig ist.

  • "Der Kitaausbau ist ein Muss – und eine Aufgabe des Bundes. Die Millionen, die jetzt durch das Betreuungsgeld frei werden, können gut dafür verwendet werden. "

     

    Und wer soll sich anschließend in den neu gebauten Kitas um die kleinen Racker kümmern? Erzieher sind zwar gefragt, doch der Nachwuchs ist knapp. Denn der Job ist unattraktiv: Das Stresspotential ist hoch, die soziale Anerkennung bescheiden, das Gehalt ebenfalls.

  • Oder die 2/3tel Mehrheit im Bundestag muss halt die Verfassung ändern… ☹

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Vor den Ausbau der Kitas haben die Götter zunächst einmal (der ein oder andere erinnert sich) einen gescheiten Tarifabschluss gesetzt.

     

    Davon abgesehen: es soll auch Väter geben, Frau Schmollack. Und sogar solche, die sich um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Wenn sie gelassen werden.