Kommentar Urteil zum Atomausstieg: Geschenke sind nicht einklagbar
Karlsruhe verweigert den Atomkonzernen die geforderten Milliarden. Wenn die Politik sich geschickt anstellt, muss sie gar keine Entschädigung zahlen.
A uch wenn die ersten Meldungen und Kommentare das Gegenteil nahelegten: Die Atomkonzerne E.on, RWE und Vattenfall haben vor dem Bundesverfassungsgericht eine herbe Niederlage erlitten. Statt der geforderten 19 Milliarden Euro bekommen sie für den Ausstiegsbeschluss – wenn überhaupt – nur eine Entschädigung im Millionenbereich.
Insgesamt ist der Atomausstieg, den der Bundestag nach der Fukushima-Katastrophe in großer Einmütigkeit beschlossen hat, nicht zu beanstanden. Mit dieser Entscheidung stärkt das Bundesverfassungsgericht nun die Rolle der Politik gegenüber der Wirtschaft.
Die Hoffnung der Unternehmen, für die Rücknahme der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung entschädigt zu werden, hat sich zerschlagen: Geschenke sind nicht einklagbar. Ein möglicher Anspruch gründet sich vor allem darauf, dass der schwarz-gelbe Ausstieg im Jahr 2011 am Ende etwas schärfer war als der rot-grüne von 2002 – und die vier AKW-Betreiber dabei unterschiedlich behandelt wurden.
Dass SPD und Grüne die Schuld für den möglichen Entschädigungsanspruch nun allein auf Union und FDP schieben wollen, ist darum nicht fair. Wenn Rot-Grün den Atomkonzernen seinerzeit nicht mit einer flexiblen Strommengenregelung entgegengekommen wäre, gäbe es das Problem heute nicht.
Doch Grund zum Jammern hat die Politik ohnehin nicht. Wenn sie verhindern will, dass die Unternehmen für den Atomausstieg – wenn auch in geringem Umfang – Geld bekommen, kann sie das leicht tun. Sie muss lediglich die Kernbrennstoffsteuer beibehalten, die zum Jahresende ohne Grund abgeschafft werden soll.
Dadurch fiele eine mögliche Entschädigung für verfallene Strommengen geringer aus, weil der Gewinn der Atomkraftwerke sinken würde. Und die zusätzlichen Einnahmen aus dieser Steuer würden die mögliche Entschädigung bei Weitem übertreffen.
Wie nun auch das Bundesverfassungsgericht noch einmal betonte, hat die Regierung viel Handlungsspielraum. Sie sollte ihn nutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“