Kommentar Urteil zu Polizei-Überwachung: Wichtiges Urteil - mit Haken
Das Urteil, dass die Polizei nicht mehr auf jeder Demo ungehindert filmen darf, setzt Maßstäbe. Aber: Wann die Polizei künftig filmt und wann nicht, darf sie aber selbst definieren.
W er in Berlin nicht gänzlich unpolitisch ist, weiß: Kaum bist du auf einer Demo, wirst du auch schon gefilmt. Diese polizeiliche Selbstverständlichkeit hat das Verwaltungsgericht jetzt infrage gestellt. Mit seinem Urteil setzt es Maßstäbe: Bereits die permanente Präsenz eines Kamerawagens, so die Richter, kann eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit darstellen - weil sich friedliche ProtestlerInnen von der Dauerüberwachung abgeschreckt fühlen könnten.
Dass Richter die Polizei zurückpfeifen, ist durchaus üblich und völlig normal. Erschreckend ist jedoch, wie weitreichend der Korrekturbedarf in letzter Zeit ist. Der Bundesgerichtshof rügte vor wenigen Wochen das Bundeskriminalamt für die illegale Bespitzelung von drei linken Berlinern; nun erklärten die hiesigen Verwaltungsrichter nahezu jeden Demonstranten für betroffen: Ihr Urteil bemängelt, dass es schon zur Normalität geworden ist, Protestierer jeglicher Couleur massenhaft und ohne Grund zu überwachen.
Wann darf gedreht werden?
Martin Kaul ist Bewegungsredakteur bei der taz.
Es ist wichtig, diese Ausbreitung der Überwachungspraxis scharf zu kritisieren. Das Problem ist damit jedoch keineswegs gelöst. Wann sie filmen darf und wann nicht, wird die Polizei auch in Zukunft weitgehend selbst definieren. Denn die Grundlage, ob eine Demo als friedlich gilt, ist die davor erstellte Gefahrenanalyse. Und die schreibt die Polizei. Will heißen: Wenn sie filmen will, muss sie nur das Drehbuch ändern.
Das Verwaltungsgericht hat damit einen wunden Punkt aufgezeigt - nun liegt es an den Demonstranten, ihre eigene Überwachung zu überwachen. Und die Polizei nicht nur zu filmen, wenn sie schlägt, sondern auch, wenn sie filmt.
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