Kommentar Urteil künstliche Befruchtung: Verstaubtes Familienbild
Das Urteil zur künstlichen Befruchtung bei unverheirateten Paaren ist ein falsches Signal. Die Ehe ist keine Garantie fürs lebenslange Zusammensein.
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Geht es um Kinder oder um die Ehe? Das ist die Frage, die das Bundessozialgericht am Dienstag indirekt mit zu beantworten hatte, als es darüber entschied, ob Krankenkassen nicht miteinander verheirateten Paaren eine künstliche Befruchtung bezahlen dürfen. Jetzt ist klar: Es geht um die traditionelle Ehe.
So jedenfalls darf das Urteil des Gerichts verstanden werden: Nach wie vor erhalten nur Verheiratete für eine Kinderwunschbehandlung Zuschüsse von ihrer Krankenkasse. Ledige Paare, die auf natürlichem Wege keine gemeinsamen Kinder zeugen können, müssen das weiterhin komplett selbst bezahlen.
Das ist nicht gerecht. Und das ist verstaubt. Das Urteil suggeriert, dass Paare mit Kinderwunsch und Trauschein mehr wert sind als Paare mit Kinderwunsch und „Lotterleben“. Das ist nicht nur ein falsches Signal, es geht vor allem an der Realität vorbei.
Zwar wachsen noch immer mehr Kinder mit Eltern auf, die miteinander verheiratet sind – ob nun mit dem biologischen Elternteil oder in Zweitehe. Unabhängig davon steigt die Zahl der Frauen und Männer, die sich einen gemeinsamen Kinderwunsch erfüllen wollen, ohne gleich heiraten zu müssen. Die Ehe an sich verliert an Wert, nicht aber die gemeinsame Sorge füreinander. Darüber hinaus ist die Ehe keine Garantie mehr für lebenslanges Zusammenleben – wie die hohen Scheidungszahlen belegen.
Warum also behandelt man ledige Mütter und Väter anders als verheiratete? Weil sie per se schlechtere Eltern sind? Das ist absurd.
Gleichwohl könnten sich jetzt auch lesbische und schwule Lebensgemeinschaften beklagen. Sie waren von vornherein ausgeschlossen. Das Bundessozialgericht verhandelte nur den Fall der künstlichen Befruchtung mit dem Samen des Partners. Homo-Eltern brauchen bekanntermaßen Fremdsamen und fremde Eizellen. Aber das ist ein anderes Thema.
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