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Kommentar Ungarische RegierungReal existierender Orbánismus

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Orbáns Rechtsregierung nähert sich dem totalitären Regime vor 1989, jetzt werden Oppositionelle mit Gefängnisstrafen bedroht. Das Volk verhält sich apathisch.

U ngarns Premier Viktor Orbán wird getrieben von einem paranoiden Hass auf das kommunistische Regime und die Sozialdemokraten, die für ihn die direkten Nachfolger des Realsozialismus sind. Dabei wird die von der rechtspopulistischen Bürgerunion Fidesz geführte Regierung dem totalitären Regime, das "vor 1989" herrschte, immer ähnlicher.

Alle verantwortlichen Posten werden mit Getreuen besetzt und zum Teil mit Amtszeiten ausgestattet, die über zwei Regierungsperioden hinausgehen. Die Freiheit der Medien ist bereits empfindlich beschnitten. Demnächst folgt eine Welle von Neubesetzungen in der Justiz. Politisch unzuverlässige Richter können dank der Herabsetzung des Pensionsalters für ihren Berufsstand frühzeitig in Rente geschickt werden.

Jetzt werden auch noch Oppositionelle für politische Handlungen mit Gefängnis bedroht. Kommt demnächst der erste Schauprozess im postkommunistischen Ungarn?

Bild: privat
Ralf Leonhard

ist Österreich-Korrespondent der taz.

Man sollte meinen, dass diese offensichtliche Willkür, gepaart mit der wirtschaftlichen Durststrecke, das Volk in Massen auf die Straße treiben müsste. Tatsächlich provozierte das Mediengesetz zu Jahresbeginn recht beeindruckende Demonstrationen. Doch seitdem herrscht Apathie, denn politische Alternativen bieten sich nicht an. Die Sozialdemokraten haben sich durch Misswirtschaft und Korruption selbst demontiert, die faschistische Jobbik ist den meisten zu extremistisch und die grüne LMP noch zu neu und zu wenig berechenbar, um kurzfristig Proteststimmen zu binden.

Die Ungarinnen und Ungarn, soweit sie nicht ohnedies mit der Entwicklung einverstanden sind, fühlen sich angesichts der geballten Macht von Fidesz ohnmächtig und ziehen sich zurück. Schon bei den Parlamentswahlen im Vorjahr blieben über 30 Prozent den Urnen fern. Bei den Kommunalwahlen im Herbst war die Enthaltung noch größer.

Ähnlich haben die Menschen in der Zeit des Kommunismus regiert: sie hielten sich aus der Politik heraus und versuchten zu leben, ohne bei den Mächtigen anzuecken. Ungarn macht eine rasante Rolle rückwärts.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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8 Kommentare

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  • JR
    János Richter

    @Peter

     

    bleiben Sie doch bei der Wahrheit. 2/3 ist der Anteil der Sitze im Parlament und der kam leider auf Grund der geringen Wahlbeteiligung zustande.

     

    Orban-FIDESZ und Anhängsel haben nicht mal 40% der Bevolkerung hinter sich.

     

    Die Leute gehen nicht auf die Straße weil sie sich um ihr "Überleben" kümmern und auch Angst haben.

     

    Die Stimmung wird weiter kippen und ich kenne viele die FIDESZ gewählt haben, welche jetzt sagen

     

    Schlimmer als die Vorgängerregierung

  • D
    def

    @ Peter:

     

    Wenn das ungarische Fernsehen Ihnen das so sagt, wird es schon stimmen, nicht wahr?

  • P
    Peter

    Begreifen sie doch endlich, dass Orban, seine Partei und die verbündeten Christdemokraten von uns Ungarn mit 2/3 Mehrheit gewählt wurden um endlich aufzuräumen!!! Die meisten, die sich hier Sozialdemokraten oder Liberale nennen, sind eingesessene Altkommunisten,die unser schwer erarbeitetes "Volksvermögen" in eigener Interesse kurzerhand verschachert und veruntreut haben. Milliarden fehlen aus der Staatskasse, mit denen nicht abgerechnet werden kann. Es gibt in Ungarn einige Rechtsradikale,(wie über all in Europa)aber die Fidesz und Orban gehören ganz bestimmt nicht dazu. Mediengesetz, die neue Verfassung,usw. waren längst fällig, es ist ein Versuch um endlich die ersehnte Wende herbeizuführen. Die Leute gehen nicht auf die Strasse, weil sie die Regierung hinsichtlich Zerstörung der korrupten alten Kadern voll unterstützen. Sie sprechen vom paranoiden Hass, wenn ich Ihre Zeitung lese, kommt mir vor, als wäre davon eher Herr Ralf Leonhard betroffen. Lassen Sie uns bitte in Ruhe, und verbreiten nicht so viel Unsinn über uns.

  • LH
    L. Hofer

    Sehr viel Wissen über das heutige Ungarn findet man hier: www.hungarianvoice.wordpress.com

  • V
    vic

    Die EU hat einen Virus.

    Mal sehen wann das jemand in Brüssel und den anderen noch nicht verseuchten Mitgliedsstaaten bemerkt.

  • J
    jens

    "Ähnlich haben die Menschen in der Zeit des Kommunismus regiert"

     

    hehe... ;)

    Freud lässt grüssen und Kádár würde es freuen - von wegen "Volksrepublik" und so...

     

    ansonsten kann ich Frau Fuß nur zustimmen

    der letzte Abschnitt zeugt nicht gerade von sehr viel Wissen über das Ungarn der Kádár-Ära...

     

    aber Westler pressen halt gern alles in das Schema, das sie vom Realsoz... ähhhh... "Kommunismus" (= ganz, ganz pöse!) so haben

  • HW
    Hans Wurst

    Dabei wird die ...Regierung dem totalitären Regime, das "vor 1989" herrschte, immer ähnlicher.

    Selbstverständlich hat der Verfasser des Beitrages vor 1989 in Ungarn gelebt und kennt sich genaustens aus???!!,wie es damals war!!!

  • SF
    Sissy Fuß

    Der Vergleich mit dem „Realsozialismus“ geht daneben. Orbán führt Ungarn geradewegs zurück in die Zwischenkriegszeit. Er ist kein neuer Kádár, sondern ein neuer Horthy.