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Kommentar Umgang mit SeenotretternDrama in Endlosschleife

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Wieder wird ein Schiff mit geretteten Flüchtlingen vor Europas Küste abgewiesen. Italien ist jedes Mittel recht, Flüchtlinge fernzuhalten.

Italien drängt darauf, dass es für Bootsflüchtlinge faktisch nur noch zwei Möglichkeiten gibt: zurück nach Libyen – oder ertrinken Foto: reuters

E s passiert wieder: Erneut wird ein Schiff mit Geretteten vor Europas Küste abgewiesen. Und erneut wird mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln alles versucht, dass dieses Schiff künftig nicht mehr retten kann. Selbst Panama wurde von Italien auf Linie gebracht: Das Land hat dem Rettungsschiff „Aquarius 2“ seine Flagge entzogen und damit einen Vorwand geliefert, es stilllegen zu können.

Italien hat alle Hemmungen fallen gelassen: Der Rechtsregierung in Rom ist jedes Mittel recht, Flüchtlinge fernzuhalten. Immer unverblümter drängt sie darauf, dass es für diese im Mittelmeer faktisch nur noch eine Alternative gibt: zurück nach Libyen – oder ertrinken.

Die Lage in dem nordafrikanischen Land aber könnte Rom nun einen Strich durch die Rechnung machen. Die EU und Italien haben dort auf wackelige Partner gesetzt. Es ist gut möglich, dass die von Europa ausgestattete und ausgebildete libysche Küstenwache angesichts der gerade eskalierenden Gewalt im Land bald nicht mehr operieren kann.

Wenn aber die Libyer weniger Flüchtlinge auf dem Meer gefangen nehmen können, wie sie es derzeit noch tun, dann dürften umso mehr Menschen darauf angewiesen sein, aus Seenot gerettet zu werden. Doch wer soll das tun, wenn Italien und Malta alle Rettungsschiffe mit Druck, Tricks und einer Verbiegung des Rechts lahmlegen?

Achse der Migrationsverhinderer

Der EU-Gipfel in Salzburg letzte Woche hat absolut nichts dazu beigetragen, diese Situation zu entschärfen. Es bleibt dabei: Europa vermag keine Antwort auf die Flüchtlingsfrage zu geben. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei die Achse der Migrationsverhinderer zwischen Rom, Wien und den Visegrád-Staaten. Sie alle eint, dass sie keine Flüchtlinge wollen.

Die einen – namentlich Italien – fordern deshalb eine Neufassung der EU-weiten Dublin-Verordnung. Die anderen wollen eine Neufassung explizit nicht. So wiederholt sich das Drama auf dem Mittelmeer immer wieder, Tausende neue Tote inklusive.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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5 Kommentare

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  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    "faktisch nur noch eine Alternative gibt: zurück nach Libyen – oder ertrinken"

    Nein! Es gibt eine weitere Alternative, wenn insbesondere Deutschland (und medial begleitend die taz) das bigotte

    "Zünd' des Nachbarn Haus an, nicht meines"

    Spiel sein lassen würden und die angelandeten Flüchtlinge direkt via Luftbrücke aus Malta oder Sizilien etc. übernehmen würden.

    Warum das nicht geschieht, möge man mir bitte erklären;

    statt blauäugig-bigott auf die bösen Visegrád-Staaten zu verweisen.

  • "Leider ist die Mentalität in Europa anscheinend nicht mit der technischen Entwicklung einhergegangen, sondern ist leider chrstilich geblieben bzw. bildet soch zurück."

    Technische Entwicklung ist eine Folge von Naturwissenschaft, die sich aus dem Christentum herausbildete (Gott als Manifestation von Logos, Joh. 1.1).

    Warum wollen die Geflüchteten wohl nicht nach Pakistan oder Brasilien?

    • @Mzungu:

      wohl weniger aus dem Christentum als aus der Aufklärung.

  • 2015 argumentierte unsere Bundeskanzlerin, es sei unmöglich "3000 km deutscher Grenze zu sichern".

    Italien hat 7600 km Seegrenze, und schafft es, den Willen des Souveräns zur Abwehr illegaler Migration konsequent umzusetzen.

    • @Frank Erlangen:

      "abwehren" wir sind nicht im Krieg auch wenn es die rechten andauernd wiederholen. ich glaub die Leute haben nichts besseres zu tun als sich ein Horroszenario nach dem anderen auszumalen und zu erschaffen.Weiters, Asyl und Migration sind zwei unterschiedliche Themen. Asyl wird es solange geben auf der Welt, solange es Fluchtgründe gibt und Migration wird es immer geben, weil Grenzen von Menschen geschaffen werden. Das heißt ein Modell was auf Isolation setzt wird nie funktionieren (Falls allgemines Glück das Ziel ist),was geschichtlich xmal bewiesen wurde. Leider ist die Mentalität in Europa anscheinend nicht mit der technischen Entwicklung einhergegangen, sondern ist leider chrstilich geblieben bzw. bildet soch zurück. Wie auch immer. Grenzen kann man natürlich sperren, nur werden die [Flüchtlinge..] dann alle in nordafrika bleiben wo Sklavenhandel blüht. Und Millionen an Flüchtligen schon sind, die schon nicht mehr versorgt werden können. Was glauben sie was für Menschen aus so einer Umgebung sich enwickeln werden, was für Staaten sich dort entwickeln, diesen Staaten wird dann der Grenzschutz egal sein. Wenn Sie schon nicht für humanistische Argumente zugänglich sind, sollten doch praktische Argumente einleuchtend sein? Oder ist dieser Zug auch schon abgefahren...Kurzsichtige Politik auf allen Ebenen....vielleicht die Kosequenz des Europäischen Bewusstseins aus 1500 fast ununterbrochenem Krieg.