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Kommentar Umgang mit FußballfansIhr macht unseren Sport kaputt

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Jürgen Klopp rief alle Liverpool-Fans auf, zum Europa-League-Finale zu reisen – und ruderte dann zurück: Bleibt zu Hause! Typisch.

Das Dilemma der Fans: Man liebt den Sport, liebt einen Verein – doch der liebt nicht zurück Foto: dpa

D er FC Liverpool hatte gerade das Halbfinalrückspiel gegen Villarreal mit 3:0 gewonnen, da sinnierte Jürgen Klopp schon über das Europa-League-Finale gegen Sevilla am 18. Mai in Basel. „Ein wundervolles Stadion und eine wundervolle Stadt“, sagte der Liverpool-Trainer, „es lohnt sich, dahin zu fahren, auch wenn man kein Ticket hat.“ Und frohlockte: „Wir nehmen 50.000, 60.000, vielleicht 100.000 Leute mit, wenn auch nicht ins Stadion.“

Anfang dieser Woche machte Klopp dann einen Rückzieher: Was er gesagt habe, „war nicht sehr schlau“, räumte er ein. „Basel ist nicht bereit für uns.“ Er habe nur als Fan gesprochen. Kurz: Habt Ihr kein Ticket, bleibt verdammt nochmal zu Hause!

Damit ist Klopp wieder ganz auf Linie mit den Ausrichterstädten und dem europäischen Fußballverband Uefa. Seit Jahren wird versucht, den Fans das Reisen zu versauen. Als Dortmund und Bayern sich 2013 in London im Champions-League-Finale gegenüberstanden, warnte Scotland Yard im Vorfeld alle Fans davor, nicht anzureisen, wenn man kein Ticket habe: „Gehen Sie besser zu den Public Viewings in München oder Dortmund.“ In London wurde erst gar kein gemeinsames Fußballschauen angeboten, das Uefa-eigene Fanfest schloss zwei Stunden vor Spielbeginn.

Der gemeine Fan wird heute nur noch geduldet, um für ein paar Jubelbilder und ein bisschen Stimmung im Stadion zu sorgen. Die brauchen die Sponsoren. Die brauchen die Fernsehsender. Aber dafür benötigt man natürlich nicht allzu viele von diesen lästigen Schlachtenbummlern: Nicht einmal 5.000 Finalkarten (von 35.000 Plätzen in Basel) werden an die gemeinen Liverpool-Fans gehen. Danke für nichts.

Es ist das Dilemma des Fans: Man liebt seinen Verein, man liebt diesen Sport, aber die Liebe wird so wenig erwidert, dass es wehtut.

Schlimmer noch: Die Menschen, die diesen Sport tragen, die ihn mit ihrer Begeisterung finanzieren (denn ohne sie gäbe es keine dicken Fernseh- und Sponsorenverträge), die diesen Sport leben, werden von ihm ferngehalten. Der Fan wird verachtet.

Die Uefa lässt übrigens auf jedes Trikot den Slogan „Respect“ tackern. Respekt vor Fans scheint darin nicht eingeschlossen.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich fürchte, hinter solchen Verhinderungsratschlägen und -aktivitäten stecken letztendlich "Sicherheitsberater" aller Ebenen. In dieser speziellen Narhalla *meint* man, man könne "Sicherheit" (besser) "gewährleisten" in umschlossenen Gebäuden und man *meint*, unregulierte Haufen in städtischen (öffentlichen) Arealen seien per se ein hohes Sicherheitsrisiko (für die Mengen selbst durch Aufputschereien, für die Umgebung und für alle Sorten von Böswilligen á la "Terroristen").

     

    Das dürfte insgesamt ein durchaus falscher und fataler Grundsatz von "Sicherungskonzepten" sein. Erstens wird man nie und nimmer bei Massenveranstaltungen jedes "Risiko" auf Null bringen können - so etwas ist eine radikale Illusion (selbst wenn man zu extremsten Überwachungsmitteln und -maßnahmen griffe). Zweitens folgt man damit perverserweise exakt der Intention der Bekloppten, öffentliches Leben aller Art möglichst vollständig zum Erliegen zu bringen und wenn überhaupt, dann massiv reguliert. *Das* geht nicht nur auf Langfrist gesehen völlig schief, sondern ruft direkt und sofort alle möglichen negativen Effekte hervor.

     

    Der größte Feind öffentlichen *Lebens* ist eine technokratische "Sicherheitsarchitektur", die nicht auf Miterleben, Mitmachen, Mitfeiern, sondern auf massive kontrollierte Dämpfung setzt. Und: alle diese "Ratschläge" werden auf Teppichetagenebene hinter verschlossenen Türen als "Experten"-Vorgaben erteilt - nichts davon wird gesellschaftlich getragen. Und: sie haben gar keine Datengrundlagen für ihre Ratschläge - das ist alles Verantwortungsvermeidungsgesäusel.

  • Ich bin ein Fussballfan und gehe schon lange nicht mehr zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft. Nun kommt dieser ganze Mist auch noch in die anderen Wettbewerbe, naja in der 2. Liga freut man sich noch über jubelende Fans die Eintritt bezahlen!

  • Ich wüsste jetzt nicht, wie ein Abend vor der Leinwand die Reise an irgendeinen Spielort so universell lohnend erscheinen lassen soll, dass man sich auf Organisatorenseite dafür krummbiegen müsste, dass das auch ja für alle Fans geht. Außer der theoretischen Möglichkeit, noch schwarz an ein Ticket heranzukommen, sehe ich keinen Vorteil gegenüber einem Public Viewing in der Heimat. Der Aufwand aber, mit zigtausend ticketlosen Fans in einer Stadt noch Sicherheit oder hinreichend Kost und Logis zur Verfügung zu stellen, ist gewaltig. Insofern kann ich verstehen, dass Klopp da zähneknirschend seinen Aufruf wieder zurücknimmt und dass auch die Veranstalterstädte den Fans RATEN (nicht "befehlen", wohlgemerkt) lieber nur zu kommen, wenn sie auch ein Ticket haben.

     

    Eine andere Frage ist natürlich die Verteilung besagter Tickets. Die Clubs täten gut daran, die Uefa hier in die Pflicht zu nehmen, die an den Fans vorbei verkauften Tickets stark zu limitieren und auch nicht solche Winzlings-Stadien für europäische Finalspiele auszusuchen wie das in Basel (Beachte: Auch an dieser Vorgabe könnte man natürlich jetzt wieder antielitär rumnölen und finden, dass Städte mit kleineren Stadien auch mal dürfen können müssen). Spiele mit zwei Drittel unbeteiligten VIPs, Incentivejägern oder Losgewinnern als Zuschauer braucht wirklich kein Mensch.

     

    Nur ändert das nichts daran, dass es grundsätzlich IMMER zu wenig Tickets für solche Finals gegeben wird, weil die halt Jeder gerne live sehen will. Es ändert auch nichts daran, dass Fußballfans es durch ihr eigenes Verhalten in der Vergangenheit dazu gebracht haben, dass viele Städte sich nunmal NICHT die Finger danach lecken, sie einfach nur - als Touristen - in beliebigen Mengen fürs Wochenende bei sich zu haben. Auch DAS ist ein Aspekt dieser Schmuddelkind-Behandlung, über den es sich zu reden lohnen würde.

    • @Normalo:

      es ist doch touristisch gut wenn viele Menschen eine Stadt besuchen, mehr Umsatz, interkulturelle Bewegnungen und als Fan kann man gleich Basel kennenlernen..., und ihr Argument, auf Organisatorenseite dafür krummbiegen zumüssen, teile ich nicht..., diese Städte haben sich beworben und dann ein Jahr Zeit sich vorzubereiten...,

      • @tomas:

        Es ist eben ein Unterschied, ob ich mich für eine geschlossene Veranstaltung mit 35.000 Teilnehmern bewerbe (von denen ein erklecklicher Teil von garnicht so weit herkommt) oder Gastgeber für 100.000 Besucher +"Mitgereiste" spiele, die überwiegend den Abend NICHT im Stadion verbringen. Insbesondere wenn es sich dabei um Fußballfans handelt, deren Idee von Völkerverständigung viel mit den Worten "Noch x Bier bitte!" und dem lautstarken Besingen IHRER jeweiligen Heimat zu tun hat - vom im Vergleich zu anderen Touristen deutlich höheren Gewaltpotenzial mal ganz zu schweigen.

         

        Basel ist abseits seiner Chemieparks ein mittelgroßes, eher beschauliches Städtchen. Warum es sich für die Finalausrichtung beworben hat, ist mir nicht ganz so schleierhaft, wie dass die UEFA da auch noch meinte mitspielen zu müssen,. aber richtig viel Sinn ergibt auch das schon nicht. Und mit der Zusatzaussicht einer mehrere zehntausend Mann starken Festgemeinde in Liverpool-Rot wird die Stadt dann wirklich zu klein. Da eignen sich andere Städte - auch am Finalabend - einfach besser zum Feiern. Zum Beispiel Liverpool.

         

        Man muss das nicht gut finden. Aber so sind einfach die Fakten, und mehr hat auch niemand gesagt: Es gibt keine Einreiseverbote, nur Bitten bzw. Ratschläge. Wer denen folgt, spart sich das Reisegeld und hat im Zweifel auch mehr von dem Abend.