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Kommentar Ukraine-KriseZynische Geiselname

Kommentar von Barbara Oertel

Pro-russische Kämpfer fordern Hilfswerke auf, das Gebiet Lugansk zu verlassen. Das bedeutet auch einen Rückschlag für die Friedensbemühungen.

Pro-russische Kämpfer 75 Kilometer entfernt von Donezk. Foto: dpa

E s ist ein weiterer Akt der Sabotage. Oder wie soll man den Aufruf pro-russischer Kämpfer an die Vereinten Nationen sowie andere internationale Hilfsorganisationen sonst bezeichnen, sich umgehend aus der Region Lugansk zurückzuziehen?

Deren Tätigkeit wird von den Machthabern bereits seit Monaten nach Kräften behindert und zwar durch die Vorschrift, sich vorab registrieren lassen zu müssen. Jetzt kommen noch so komplett abtruse Beschuldigungen hinzu, wie die an die Adresse von „Ärzte ohne Grenzen“, phsychoaktive Medikamente illegal gelagert zu haben.

Mit ihrem Vorgehen tun die Rebellen wieder einmal nichts anderes, als die Friedensbemühungen zu torpedieren. Dabei schien es seit Monaten erstmals Anlass zu der Hoffnung zu geben, den Konflikt doch noch mit friedlichen Mitteln beizulegen.

Der in Minsk vereinbarte Waffenstillstand hält leidlich gut. Und der Plan des französischen Diplomaten Pierre Morel scheint die Möglichkeit zu eröffnen, die bevorstehenden Lokalwahlen so zu organisieren, dass sowohl die ukrainische Regierung als auch die Rebellen ihr Gesicht wahren können.

Perfides Spiel

Leidtragende dieses perfiden Spiels, das humanitäre Hilfe für politische Zwecke instrumentalisiert, sind wieder einmal die Menschen im Donbass. Viele von ihnen sind auf der Flucht, haben Tote und Verwundete zu beklagen sowie ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Wer krank ist, kann wegen fehlender Arzneimittel nicht behandelt werden - der Blockade der Rebellen sei Dank. Diese Art der Geiselnahme ist Zynismus pur.

Wenn jetzt der UN-Nothilfekoordinator Stephen O‘ Brien diejenigen in die Pflicht zu nehmen versucht, die im Osten der Ukraine Einfluß haben, dürfte das zumindest in Moskau niemanden besonders beeindrucken. Schließlich hat Russland ja bekannter- und erklärtermaßen mit diesem Krieg nichts zu tun. Wenigstens das ist eine Konstante.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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6 Kommentare

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  • Vielleicht sollte die Autorin mal prüfen, was in New York bei der UNO denn tatsächlich abgelaufen ist. 100 Staaten pochten auf der 'Unverletzlichkeit der Grenzen', was einer Kriegserklärung gegen ALLE unabhängigen und separatistischen Bewegungen ist (siehe Catalunya, Baskenland, aber nicht Kosovo!). 69 Staaten waren nicht dieser Meinung! Die OECD ist weiterhin in der Ostukraine, die UNO braucht man nun wirklich nicht. Kiew hat wieder erfolgreich Öl ins Feuer geschüttet. Poroshenko ist an einem Ende des Konflikts nicht interessiert.

  • McCain, auch so ein Hilfsorganisationsfreak wie Soros, weilt zu Zeit in Odessa. Dort zündelt er heftig gegen die Opposition in der Ostukraine gegen Kiew. Kein Wort zum Massaker in Odessa, Lügen über die Schüsse auf dem Maidan, nichts zum ursprünglich waffenlosen Widerstand gegen Kiews Panzer in der Ostukraine. Nein der Mann bedauert dass die USA bisher zu wenig moderne Waffen gegen die Ostukrainer geliefert habe. Das allertiefste Mißtrauen gegen NGOs Hilfs(ausspäh)organisationen ist berechtigt.

  • Die Aktionen der Herren in Lugansk wirken gelinde gesagt merkwürdig und sind überhaupt nicht zweckdienlich.

     

    Das Problem ist nur, dass Frau Oertel aus alter Gewohnheit mit dem Satz:

     

    "Mit ihrem Vorgehen tun die Rebellen wieder einmal nichts anderes, als die Friedensbemühungen zu torpedieren."

     

    den schwarzen Peter nur in Richtung russische Seite schiebt. Dass die Ukraine gerade heute Flugverbote für russische Fluggesellschaften verhängt hat und dass LKW mit Lebensmitteln von ukrainischen Kräften nicht auf die Krim gelassen werden, könnte man erwähnen, um das Bild abzurunden. Allerdings wäre dies dann objektive Berichterstattung oder auch richtiger Journalismus. Und damit will Frau Oertel nun wirklich nicht in Verbindung gebracht werden.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Hätten die Russen mit alldiesen Dingen nicht angefangen, hätte Ukraine überhaupt nichts unternommen!!!

       

      Du musst nachdenken!!!

      • @Zhang Junhua:

        Entschuldigung. Ich hatte doch fast vergessen, dass es Russland war, das den Putsch gegen den gewählten ukrainischen Präsidenten unterstützt hat.

         

        Ist das so richtig für Ihren Tunnelblick?

         

        PS: Wir sind nicht per Du.

  • Kommt drauf an wer sich was auf welche Friedensbemühungen einbildete.

    Die Abkommen von Minsk dämpften eben nicht die Methoden des Kreml, sich den Zugriff auf die Ukraine weiterhin zu sichern.

    bisher wurde also erst ein ukrainischer Oligarch gestürzt.