Kommentar USA und Nordkorea: Wenn der Bluff schiefgeht
Die Drohungen gegen Nordkorea offenbaren die mangelnde Übersicht der Trump-Administration. Ein Krieg käme Südkorea teuer zu stehen.
Die US-Regierung von Donald Trump sieht Nordkoreas Atomprogramm als größtes Sicherheitsproblem und hat deshalb ein Ende der „strategischen Geduld“ verkündet. Hinter diesem euphemistischen Begriff verbirgt sich stets weniger Langmut als vielmehr Ratlosigkeit. Doch nun hat Trump gegenüber Nordkorea nicht nur rhetorisch aufgerüstet, sondern dies auch mit Taten untermauert.
Trumps Regierung droht Nordkoreas Regime – das selbst nicht vor martialischen Drohungen zurückschreckt – inzwischen offen mit Krieg. Beide Seiten sind für Bluffs bekannt. Doch Trump machte keinen Hehl daraus, dass die US-Marschflugkörper, die er kürzlich eine syrische Luftwaffenbasis zerstören ließ, auch Warnschüsse für Nordkoreas Kim Jong Un waren. Ebenso dürfte es mit der größten von den USA je gezündeten konventionellen Bombe („Mother of all Bombs“) gewesen sein, welche die USA letzte Woche in Afghanistan abwarfen.
Die US-Warnschüsse dürften Nordkoreas Regime vor allem darin bestärken, seine Atombewaffnung als aus Pjöngjangs Sicht einzige Überlebensgarantie zu forcieren. Doch beeindrucken dürfte die US-Feuerkraft die Nordkoreaner eher wenig, zumal das Regime in Pjöngjang in einer ganz anderen Position ist als das in Damaskus. Trumps Risiko bestand bei Syrien vor allem in einer Eskalation des Konflikts mit Russland, aber nicht in einem syrischen Beschuss Israels.
Pjöngjang hat dagegen schon ohne seine Raketen genug konventionelle Artillerie, um in Südkoreas grenznaher Hauptstadt Seoul Hunderttausende Menschen zu töten. Nordkorea ist dagegen nicht leicht zu treffen. Die bergige Landschaft schütze es schon im Koreakrieg. Der US-Luftwaffe gingen damals die Ziele aus. Chirurgische Luftschläge sind deshalb eine Waffe mit nur begrenztem Nutzen.
Sollte Trump also nach dem Präzedenzfall Syrien wirklich Marschflugkörper nach Nordkorea schicken, um sich als tatkräftig zu inszenieren, ist das Eskalationsrisiko viel höher als in Syrien, wo der Krieg ohnehin längst läuft. Relativ erfolgreich scheint dagegen das von Obama forcierte Programm elektronischer Kriegsführung zu sein, das mutmaßlich nordkoreanische Raketentests zum Scheitern brachte. Doch auch das dürfte Nordkoreas Atomprogramm nur verzögern und nicht verhindern – bei vollem Eskalationsrisiko.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana