piwik no script img

Kommentar US-ZinswendeDie EZB ist noch im Nebel

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Die Fed hebt den Leitzins nach fast einer Dekade erstmals minimal. Die USA zeigen, dass die Rückkehr zum Normalbetrieb möglich ist.

Noch agiert die EZB im Krisenmodus. Foto: dpa

H underttausende haben Jobs und Häuschen verloren. Wenn in den USA sieben Jahre nach dem Lehman-Crash die Arbeitslosigkeit bei 5 Prozent liegt und die Wirtschaft moderat wächst, liegt das auch an der ultralockeren US-Notenbank. Die Nullzinspolitik der Fed hat den USA Investitionen und neue Arbeitsplätze gebracht.

Zusammen mit der Flutung der Märkte – 4 Billionen Dollar für umme – hatte der Fed-Kurs auch Kollateralschäden: Banken, Konzerne und Reiche bedienten sich, Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkte pumpten sich auf – und müssen nun sorgsam zurückgeschrumpft werden. Die Luft muss raus, das quält jetzt schon China und die anderen Schwellenländer, die zuletzt von US-Kapital auf der Suche nach Rendite überschwemmt wurden.

Doch jetzt schwappt das Geld zurück. Wenn Fed-Chefin Janet Yellen nach fast einer Dekade den Leitzins erstmals minimal wieder hebt, erklärt sie damit: Die Finanz- und Bankenkrise ist – bei allen Risiken – bei uns beendet. Zudem ruft sie über den Teich: Europa, mach mit!

Sieht vorerst schlecht aus. Die hiesigen Exporteure freuen sich zwar auf einen tendenziell schwächeren Euro im Vergleich zum Dollar. Allerdings, das ist das Fatale, regiert in der Eurozone weiter die Krise: Vielerorts gibt es 20 Prozent Arbeitslosigkeit plus Zwergenwachstum. Das liegt auch an den Systemen: Während mehr Wachstum und Jobs in den USA Kernaufgabe der Fed sind, bescheidet sich die EZB mit dem Ziel einer stabilen Währung.

Viel zu spät

Ihre jetzige Politik hat sich die Zentralbank auch gegen deutsche Stabilitätsfanatiker und vor verschiedensten Verfassungsgerichten erkämpft. Viel zu spät! Die USA zeigen, dass die Rückkehr zum Normalbetrieb möglich ist, wenn man beherzt handeln darf.

Drittens, und das ist das Gute, kann eine erfolgreiche US-Zinswende eines fernen Tages der EZB als Vorbild dienen. Aber: Noch agiert die EZB im Krisenmodus. Yellen wird zeigen: Auch die EZB kann es schaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Zurück zur Normalität? Wenn die Fed es schafft, einen Leitzins von mindestens 4% zu erreichen - und diesen für mind. 2 Jahre hält -, dann kann man von einer Normalisierung sprechen.

    Ein weiterer Punkt: Ein Konjunkturzyklus hat eine länge von etwa 3-8 Jahre. Was passiert, wenn die nächste Rezession ausbricht, wenn die Leitzinsen noch sehr niedrig sind? Dann hält sich der (konventionelle) Spielraum (also Leitzinssenkung) in Grenzen.

  • Was ist mit den vier Billionen ? Hat die Fed die (rück)gekauften Anleihen in einem Geheimbunker entsorgt und den Schlüssel weggeworfen ? Ist die (winzige) US-Leitzinserhöhung erst mal nur eine Art Versuchsballon im globalen Wirtschaftskrieg ? Ein Test im Pokerspiel um die Dollar-Weltwährung ? Was würde passieren , wenn China als Reaktion große Teile seines Dollardevisenberges auf den Markt würfe ? Wie hoch ist derzeit immer noch das Defizit in der US-Außenhandelsbilanz ? In welchen Wirtschaftssektoren der USA sind die neuen Arbeitsplätze entstanden ? Sind es Vollzeitarbeitsplätze in kapitalproduktiver Industrie oder überwiegend niedrig bezahlte Teilzeitarbeitsplätze in konsumptiven Dienstleistungsbereichen ?

    Vielleicht könnte die ausgezeichnete Rieke Havertz von der Taz mal zu dem Thema etwas recherchieren und darüber berichten ...

    • @APOKALYPTIKER:

      Die FED ist sich ihrer Verantwortung für die Weltwirtschaft bewusst, da in vielen Ländern $Anleihen aufgenommen wurden. Die US-Arbeitslosenquote blieb zudem unverändert bei 5,1 Prozent und damit auf dem tiefsten Stand seit sieben Jahren. Eine dynamische Wirtschaft mit 3% Wachstum. Der Führerschein kostet übrigens 1/10 zur überregulierten Kern-EU.