Kommentar US-Wahlkampf: Romney zeigt klare Kante
Paul Ryan ist als Vizepräsidentschaftskandidat der Republikaner eine ideologisch klare Positionierung. Ryan wird die Basis mobilisieren und die Mitte abschrecken.
D ie Personalentscheidung ist ein Programm. Der Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan bringt alle möglichen Dinge mit, die der Obama-Herausforderer Mitt Romney nicht hat: Er ist jung, er ist katholisch, er hat sein komplettes Berufsleben in der Politik verbracht und er verfügt über Seilschaften in Washington.
Doch vor allen Dingen ist Paul Ryan ein marktradikaler Kämpfer, der sein Programm nie geändert hat. Mit ihm macht der republikanische Präsidentschaftskandidat den Schritt zu einer ideologisch klareren Positionierung.
Ryan hat einen Ruf als Hardliner, der der Tea-Party-Basis aus der wütenden Seele spricht: Ryan will die Steuern senken (auch für Spitzenverdiener), er will Sozialleistungen weiter kürzen (inklusive der Lebensmittelmarken für Bedürftige und der staatlichen Krankenversicherung für Rentner), er will die Befugnisse der Umweltbehörde einschränken, er bestreitet, dass es einen Klimawandel gibt, er ist gegen Abtreibung, gegen gleichgeschlechtliche Ehe, und er will die Militärausgaben am liebsten aufstocken.
Der Wahlkampf in den USA wird mit dem Ticket Romney & Ryan spannender. Plötzlich gibt es im November eine echte politische Alternative: programmatische Unterschiede, die von der Familienplanung über die Steuer- und Militärpolitik bis hin zu Sozial-, Gesundheits- und Umweltfragen reichen. All das wird eine mobilisierende Wirkung auf die republikanische Basis haben.
Doch zugleich wird das Ticket Romney & Ryan für einen Ruck in der demokratischen Basis sorgen. Die radikalen Positionen des Vize werden viele bislang unentschiedene Wähler in der Mitte abschrecken. Das gilt insbesondere für jene Gruppen, die im Jahr 2008 den Ausschlag für den Wahlsieg von Barack Obama gegeben haben: Frauen, Afroamerikaner, Latinos und Rentner. Insofern birgt Romneys Personalentscheidung für den Mann, der auf einem Kriegsschiff zum Kandidaten gekürt wurde, ein enormes politisches Risiko für die Republikaner.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen