Kommentar US-Überwachungsskandal: Briefe schreiben!
Drei Konsequenzen sollten unbedingt aus dem Datenschutzskandal beim US-Geheimdienst NSA gezogen werden: Aufklärung, Fremdschutz und Selbstschutz.

E s gibt ein paar Menschen, die tingeln seit Jahren durch Deutschland und werden häufig für Spinner gehalten. In Vorträgen berichten sie über nahezu Unvorstellbares: dass US-amerikanische Geheimdienste die Inhalte sämtlicher Telefonate weltweit mitschneiden und archivieren. Und dass diese Behörden alle Mails sammeln und speichern, die sie irgendwie weltweit abfangen können. Verschwörungstheorie, heißt es dann oft. Geht arbeiten.
Das Ausmaß der Spitzelei, wie es mit dem jetzt bekannt gewordenen US-Überwachungsskandal offenbar wird, wirkt, als entstamme es selbst einer solchen, schlechten Verschwörungstheorie. Das Problem ist nur: Es ist keine Theorie, es ist tatsächlich eine Verschwörung.
Staatliche „Sicherheitsarchitekturen“, hier am Beispiel des US-Spähprogramms Prism, attackieren weltweit elementare Bürgerrechte, die in vielen westlichen Demokratien viel zu naiv für selbstverständlich gehalten werden.
In Deutschland, wo am relativ jungen Beispiel zweier totalitärer Staatssysteme vielen Menschen noch in lebendiger Erinnerung ist, was eine staatliche Rundumüberwachung im privaten Bereich für Folgen haben kann, müssen aus dem US-Datenskandal drei Konsequenzen gezogen werden: Aufklärung, Fremdschutz, Selbstschutz.
ist taz-Redakteur für Politik von unten und twittert unter @martinkaul.
Dass die Opposition radikale Aufklärung auch seitens der Bundesregierung fordert, ist richtig. Schon jetzt ist allerdings abzusehen, dass die Fragen nach den Kenntnissen deutscher Geheimdienste unter den üblichen Vorwänden abgewiesen werden.
Obama entscheidet was gut ist
Das beliebteste Argument lautet dabei: Der Staat entscheidet am besten allein, dass seine Überwachung den Bürgern nicht schadet. Ähnlich argumentiert derzeit Barack Obama mit Verweis auf die Notwendigkeit der Überwachungsmaßnahmen durch seinen Geheimdienst.
Auf diesem Niveau sollte die Bundesregierung nicht argumentieren. Im Gegenteil: Es wirkt utopisch, wäre aber angemessen, dem nun flüchtigen Informanten Edward Snowden politisches Asyl in Deutschland anzubieten.
Es stimmt aber auch, dass die Überwachung von Menschen immer so einfach ist wie die Möglichkeiten, die die Menschen bieten. Es ist schade, aber wahr: Wer etwas wirklich Vertrauliches mitteilen will, muss endlich lernen, E-Mails zu verschlüsseln – oder am besten tun, was am sichersten ist: Briefe schreiben.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren