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Kommentar Tsipras‘ NeuwahlplanLinks durchregieren oder nichts

Jannis Papadimitriou
Kommentar von Jannis Papadimitriou

Tsipras‘ Rücktritt ist ein taktisches Manöver, um gestärkt aus den Neuwahlen hervorzugehen. Darin liegen aber mehrere Gefahren.

Alles dreht sich um Alexis Tsipras – nur wohin? Foto: ap

S eit Ausbruch der Schuldenkrise 2009 machen griechische Politiker vor allem das, was sie am besten können: nämlich Wahlkampf. Linkspremier Alexis Tsipras möchte da keine Ausnahme bilden. Allerdings hat er auch eine passende Entschuldigung: Es geht gar nicht anders. Seitdem ihm fast ein Drittel der Parlamentarier seiner regierenden Syriza-Partei die Gefolgschaft verweigert hat, kann der Linkspremier unliebsame Gesetzesvorlagen nur noch mit Hilfe der Oppositionsstimmen durchbringen.

Darüber hat sich der Ex-PASOK-Chef und ehemalige Finanzminister Venizelos auch schon lautstark mokiert: „Es kann nicht sein, dass es im griechischen Parlament zwei unterschiedliche Regierungsmehrheiten gibt: Eine Mehrheit für die angenehmen Dinge des Regierens, die von allen Linksabgeordneten getragen werden, und eine andere Mehrheit für unangenehme Gesetzesvorlagen, bei denen die Opposition herangezogen wird‟.

Jetzt also Neuwahlen. Der Regierungschef darf seine Wahllisten nach Gutdünken gestalten und dabei die radikal-linken Kräfte um Ex-Energieminister Lafazanis mit Ignoranz strafen. Diese einzigartige Chance zum Durchregieren will der Machtpolitiker Tsipras auf keinen Fall auslassen. Lafazanis wiederum hat angedeutet, eine neue Front gegen die Sparpolitik gründen zu wollen. Er sollte dies am besten sofort tun, damit die Parlamentskollegen die Blamage vermeiden, mit der rechtsradikalen Goldenen Morgenröte allen Ernstes über eine Regierungsbildung zu verhandeln.

Hintergrund dieser Scharade: Tritt der Premier zurück, darf der Staatspräsident laut Verfassung nicht sofort Neuwahlen ausschreiben. Sondern er muss zunächst einmal den Auftrag zur Regierungsbildung an die zweitstärkste im Parlament vertretene Partei weitergeben (in dem Falle den ND), was bereits geschehen ist; wenn auch das keinen Erfolg bringt, muss er sogar auch die drittgrößte Partei mit der Regierungsbildung beauftragen, bevor er an die Urnen aufruft.

Als drittgrößte Partei mit jeweils 17 Sitzen gelten derzeit die sozial-liberale Gruppierung To Potami und eben die Goldene Morgenröte. Sollten sich über 20 Linksparlamentarier von Syriza abspalten und Lafazanis in eine neue Partei folgen, wofür einiges spricht, dann sähen die Machtverhältnisse im Athener Parlament wohl plötzlich ganz anders aus.

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Jannis Papadimitriou
Auslandskorrespondent Griechenland
Jahrgang 1969, berichtet aus Athen u.a. für die taz und die Deutsche Welle. Er studierte Jura in Bonn und war langjähriger freier Mitarbeiter des WDR und der Deutschen Welle. Auch in Griechenland hat er als Redakteur und Live-Moderator gearbeitet.
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4 Kommentare

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  • Es geht nicht darum, wie sich Zyriza neu sortiert. Weder Varoufakis noch die Parlamentspräsidentin Konstantopolou sind bisher zur Drachmen-Gruppe um Lafazanis gewechselt. Sie wissen, das sie den Griechen keine erfolgverprechende Alternative zum EU-Diktakt anbieten können. Ein Grexit hätte eine schnellere Verelendung zur Folge - das EU-Diktat vielleicht eine langsamere - immerhin. Darauf setzt Tsipras. Jetzt will er erst einmal dafür sorgen, dass nur ihm treue Kandiadaten auf die Zyriza-Liste kommen und gewählt werden. Dann könnte er die von den alten Eliten (PASOK/ND) beherrschten Behörden und Verwaltungen aufbrechen. Aber wie soll ihm das gelingen, er wird mit Koalitionspartner brauchen. Die rechtsorthodoxe ANEL könnte an der 3% Hürde scheitern. Also blieben ihm die PASOK-Fossile, die ND-Nomenklatur und/oder die neuliberalen um To Potami. Alle werden sich ihre Pfründe weiter sichern wollen - und so manch Zyriza-Funktionär wohl auch. Schafft es Lafazanis mit seinen Radikalen ins Parlament, steht er wieder vor dem Problem, in einer Koalition Zugeständnisse machen zu müssen. Oder seine Gruppe verharrt in Total-Opposition, wie es die orthodoxen Kommunisten der KKE seit Jahren praktizieren. Niemand in Griechenland und bei ins diskutiert aber darüber, was geschieht, wenn die Faschisten um Chrysi Avghi bei den Wahlen gestärkt werden. Sie werden ihr Mandat als Legitgimation dafür sehen, den 'Krieg auf der Straße' gegen Flüchtlinge und Minderheiten zu eskalieren - unter klammheimlicher Zustimmung mancher Hellenen...

  • "Sollten sich über 20 Linksparlamentarier von Syriza abspalten und Lafazanis in eine neue Partei folgen, wofür einiges spricht, dann sähen die Machtverhältnisse im Athener Parlament wohl plötzlich ganz anders aus."

     

    Soweit ich weiß, steht die Parteigründung bereits fest. Ein echter Knaller und das, nachdem der Bundestag die Hilfen verabschiedet hat und die Sofortzahlung in Athen eintraf. Nur schlechtes Timing?

     

    Ich finde nach der 180 Grad-Drehung die Neuwahlen aber auch richtig und bin sehr gespannt, wie sich das griechische Volk entscheidet.

  • Nachdem Tsipras eingeknickt ist und die Politik seiner Vorgänger fortsetzt, ist dies nur noch eine bedeutungslose Personalie, eine reine Machtfrage abseits jeglicher politischer Relevanz. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder der linke Flügel bekommt genug Auftrieb, um zu regieren oder es geht weiter, als hätte es Syriza nie gegeben.

  • Bei der ganzen Syriza-Tragikomik fällt mir doch immer wieder das berühmte Gedicht von Ernst Jandl ein :

     

    Manche Leute meinen

    Lechts und Rinks

    könne man nicht velwechsern

    Werch ein Illtum