Kommentar Trainerentlassung Spanien: Niemand vermisst Lopetegui
Schwächt die Entlassung des Trainers Spaniens Team bei der Fußball-WM? Ach was, diese Mannschaft braucht keinen Trainer.
D er Fußball soll aus Spanien endlich eine Einheit machen. Zumindest für den Zeitraum der WM muss die Katalonien-Krise in den Hintergrund rücken; Katalonier und Basken Hand in Hand auf den Fanmeilen, so die Vorstellung. Wäre da nur nicht Zinedine Zidane gewesen, der durch den Rücktritt als Chefcoach bei Real Madrid Julen Lopetegui die Chance gegeben hat, sein Nachfolger zu werden.
Lopetegui war bis zuletzt Nationaltrainer von Spanien und das durchaus erfolgreich. Ungeschlagen marschierte Spanien durch die Qualifikation, ließ dabei sogar Italien hinter sich. Nun der Wechsel – eigentlich nach der WM – zu Real Madrid. Der spanische Verband fühlt sich betrogen und entlässt Lopetegui mit sofortiger Wirkung. Das Medienecho ist groß, wie kann der spanische Verband sowas unmittelbar vor der WM nur machen? Eine regelrechte Farce. Doch war es überhaupt das Können Lopeteguis, das Spanien diese WM-Teilnahme ermöglichte?
Die weiteren Quali-Gegner waren unter anderem Mazedonien, Liechtenstein oder Israel – selbst für einen Loris Karius keine Herkulesaufgabe. Zumal in Spaniens Auswahl immer noch ein großer Teil der „Goldenen Generation“ steckt, die zwischen 2008 und 2012 alles zerlegte, was nicht rechtzeitig acht Mann in die Abwehr stellte. Insbesondere das eingespielte Innenverteidiger Duo Piqué/Ramos sorgt für eine Stabilität, wie sie jeder Nationaltrainer gerne hätte.
Ob jetzt der neue Nationaltrainer ein Greenkeeper aus Bietingheim-Bissingen wird oder die neue Idealbesetzung Fernando Hierro, der tatsächlich neuer Coach wird: Spaniens Mannschaft wird es nicht sonderlich verändern. Allein der Barcelona-Block bekommt fast jährlich (zuletzt Ernesto Valverde) einen recht unerfahrenen Vereinstrainer gestellt – und gewinnt dennoch souverän die Meisterschaft. Zu groß ist die Erfahrung im Team, zu groß die Qualität – und zu gering die Einführungszeit für eine andere Taktik; Spaniens erstes Spiel steigt bereits am Freitag.
Ein Abwehrspieler wie Sergio Ramos ist ein Leader auf dem Spielfeld, einer, der für seine Mannschaft töten würde – egal, unter welchem Trainer. Mit Lopetegui ist kein Kapitän von Bord gegangen, sondern ein Matrose.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit