Kommentar Thailand: Die Armee als Moderator
Nach der demonstrativen Zurückhaltung der Polizei ist Thailand vorübergehend zur Ruhe gekommen. Die Hintergründe der Proteste aber bleiben.
D ie Charme-Offensive der Polizei nach den gewalttätigen Protesten wird zu Recht gepriesen. Es ist allen Akteuren hinter den Kulissen hoch anzurechnen, dass Bangkok zunächst einmal zur Ruhe gekommen ist. Im politischen Konflikt gab es bereits genug Tote und Verletzte.
Wobei diese Offensive, die zeitlich mit den Vorbereitungen für den Geburtstag des Königs zusammenfällt, nur eine Waffenruhe und keine nachhaltige Lösung ist.
In Thailands politischem Gefüge mischen viele Akteure mit. Da ist der sich als Rebell gebärende Anführer der Proteste, Suthep Thaugsuban, der angekündigt hat, dass die Demonstrationen weiter gehen werden. Er beabsichtigt, nicht nur die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra zu stürzen, sondern dem Land eine andere politische Ordnung in Form eines nicht gewählten „Volksrates“ für einen bislang ungenannten Zeitraum aufzudrücken.
Einen Tag nach der überraschenden Protestpause in Thailands Hauptstadt Bangkok sind am Mittwoch erneut Regierungsgegner aufmarschiert. Sie zogen zur Zentrale der nationalen Polizei mitten in der Innenstadt, nicht weit von den zentralen Einkaufszentren entfernt.
Die Regierungsgegner waren am Dienstag nach zwei Krawalltagen mit Tränengas-Einsatz ungehindert auf das Gelände am Regierungssitz gelangt. Die Polizei hatte zuvor überraschend ihre Taktik geändert und zentrale öffentliche Einrichtungen nicht mehr mit Tränengas und Wasserwerfern verteidigt, sondern die Regierungsgegner eingelassen. (dpa/afp)
Eine bedeutende Rolle haben auch die „Rothemden“ inne, die mehrheitlich Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten damaligen Regierungschefs Thaksin Shinawatra sind und dessen Schwester Yingluck 2011 zu einem Erdrutschsieg verhalfen.
Im Zuge der von Suthep angeführten Proteste hatten die Rothemden eine „Gegendemo“ abgehalten, bis deren führende Köpfe sich dazu entschlossen, ihre Anhänger nach Hause zu schicken, um von sich aus weitere Eskalationen zu vermeiden. Die „Rothemden“ würden sich widersetzen, sollte Yinglucks Regierung entmachtet werden - sei es durch das Militär oder die Justiz, wie bereits in der Vergangenheit geschehen.
Mit der wichtigste Akteur ist das Militär. Bislang hat Armeechef Prayuth Chan-ocha keine Anstalten gemacht, sich auf die Seite der Demonstranten zu stellen. Eher zog er es vor, in die Rolle des Mediators zu schlüpfen, um – in Anwesenheit anderer militärischer Befehlshaber – Suthep an einen Tisch mit Yingluck zu nötigen, die mehrfach Verhandlungsbereitschaft signalisiert hat.
Seit dem Putsch von 2006 ist jedoch zunehmend deutlich geworden, wie tief gespalten auch das Militär ist. Ein weiterer Putsch, wenn er denn käme, würde die Streitkräfte zerreißen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“