Kommentar TV-Duell Le Pen/Macron: Niveauloses Schauspiel
Die Debatte sollte ein Höhepunkt werden. Sie landete aber in den Niederungen persönlicher Beschimpfungen und grotesker Anschuldigungen.
D ie Szene könnte sich im Treppenhaus eines beliebigen Mehrfamilienhauses abspielen. Zwei Bewohner, eine etwa fünfzigjährige Blondine und ein jüngerer Mann in Anzug und Krawatte geraten sich wegen einer Belanglosigkeit in die Haare. Ein Wort gibt das andere, rasch wird es sehr laut, offenbar haben die beiden seit Langem etwas gegeneinander. Die übrigen Mitbewohner werden zu Zeugen eines Streits, der zu einer wüsten Abrechnung eskaliert. Eine Szene, die ein unangenehmes Gefühl hinterlässt.
So wie die TV-Debatte vor der Stichwahl der französischen Präsidentenwahl, die am Mittwochabend stattfand. Denn bei der äußerst heftigen Auseinandersetzung vor weitgehend perplexen ZuschauerInnen ging es nicht um eine Belanglosigkeit, sondern um die Wahl des nächsten Staatschefs der französischen Republik. Was ein Höhepunkt der Kampagne werden sollte, landete in den Niederungen persönlicher Beschimpfungen und grotesker Anschuldigungen.
Verantwortlich dafür ist eindeutig Marine Le Pen. Sie war nicht gekommen, um ihr Programm darzustellen und die Vorschläge ihres Gegners zu zerpflücken. Sie attackierte Emmanuel Macron von Beginn an persönlich. Und zwar aggressiv, mit zum Teil grotesken Unterstellungen und bösartigen Behauptungen. Das ist nicht das Niveau, das die Franzosen von einem Staatschef erwarten.
Zugleich wurde deutlich, dass Marine Le Pen ungenügend vorbereitet war – trotz ihrer Stichwortnotizen, in denen sie ständig blätterte. In Sachfragen zeigte sie krasse Kenntnislücken, die sie mit polemischen Ausflüchten überspielen wollte. Sie war nicht gekommen, um zu überzeugen, sondern um einen ihr klar überlegenen Gegner mit dem einzigen Mittel zu diskreditieren, das ihr dazu zur Verfügung stand: maßlose Übertreibung und Beleidigung.
Macron konterte zuerst einigermaßen kühl, mit der Zeit aber wiederholte er seine Vorwürfe im Stil von: „Sagen Sie doch keine solchen Dummheiten!“ Er wirkte so auf Dauer belehrend oder sogar arrogant. Zum Abschied sagte er: „Sie können für ihr Spektakel beim Fernsehen bleiben, ich werde Präsident.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“