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Kommentar TTIP-VerhandlungenWeiter unter Verschluss

Kommentar von Tanja Tricarico

Abgeordnete können TTIP-Dokumente einsehen. Doch die Transparenz ist mehr Schein. So entsteht kein Vertrauen in die Entscheidungen der Politik.

Lesespaß garantiert: Abgeodnete dürfen sich nun über die TTIP-Verhandlungen informieren Foto: dpa

N ach mehr als zwei Jahren streng abgeschotteter Verhandlungen und medienwirksamer Protestaktionen der Gegner öffnet sich nun die Geheimakte TTIP für alle Bundestagsabgeordneten. Der Widerstand seitens kritischer Abgeordneter und vor allem der Tausender Bürger, die gegen das Freihandelsabkommen auf die Straße gegangen sind, scheint sich also gelohnt zu haben. Doch die neue Transparenz ist mehr Schein als ein echter Erfolg.

Die Parlamentarier werden Hunderte Seiten voll von Fachtermini in englischer Sprache lesen müssen. Und wohl oder übel immer wieder in den Leseraum des Wirtschaftsministeriums zurückkehren. Kaum vorzustellen, dass die komplizierten Passagen, in denen jedes Komma und jeder Gedankenstrich entscheidend sein kann, in kurzer Zeit zu verstehen sind. Denn die Akten dürfen nicht zum Übersetzen oder schlicht zum Verstehen nach Hause getragen werden.

Die Parlamentarier brauchen also einen langen Atem und den Willen dranzubleiben. Zudem ist Tempo angesagt. Schließlich wird in Brüssel und Washington munter weiterverhandelt.

Doch was Gegner eigentlich zu schaffen macht, ist der Ausschluss der Bevölkerung. Nach wie vor bekommen diejenigen keinen Zugang, die sich außerhalb des Parlaments Sorgen um Umwelt- und Verbraucherschutz machen. Denn die Standards, die wir kennen, sind tatsächlich in Gefahr, wenn TTIP so kommt, wie es so manchem Strategen sowohl bei den Amerikanern als auch bei der EU-Kommission vorschwebt. Für die Kritiker bleibt TTIP die Black Box, die garantiert nicht dafür sorgt, dass Vertrauen in die Entscheidungen der Politiker wächst.

Echte Transparenz sieht anders aus. Das wird vermutlich auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wissen. Es wird Zeit, dass er sich nicht länger hinter den Verhandlungsvereinbarungen von EU-Kommission und US-Vertretern versteckt.

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5 Kommentare

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  • .....

    Wir wollen als Partei eine ehrliche und offene Diskussion über TTIP und CETA führen. Beide Abkommen sind zu wichtig, als das sie als Geheimsache behandelt werden könnten. Die Transparenz, die wir politisch von der EU-Kommission einfordern, wollen wir auch selbst in unserer Diskussion erreichen. Nur auf Grundlage von Information und Meinungsaustausch kann Vertrauen wachsen und letztlich eine fundierte Entscheidung getroffen, die der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Tragweite der Abkommen gerecht wird......

     

    yup

  • Die Kommentare verharmlosen den Umstand, das es hier nicht um unsere Rechte geht, die sind schon verspielt durch unsere Politiker.. Gabriel behauptet sogar (DLF vorgestern), dass nun, da öffentlich, die Diskussion endlich versachlicht wird. Ich wünsche mit einen Abgeordneten oder zwei der Grünen oder Linken, die dieses Abkommen schlicht fotografieren und an die Presse bringen. Ich spende gern 100 Euro für den Erwerb einer entsprechend kleinen unauffälligen Fotoausrüstung, bitte melden bei mir. Wo bleiben die Volksvertreter mit aufrechtem Gang...das kann doch nicht wahr sein.

    • @Zeuge14:

      Dem Geheimhaltungszustand von TTIP - welcher auf eine unhinterfragt naturhafte Weise daherkommt, da kaum jemand fragt wer für diese insistente Geheimhaltung verantwortlich ist - dürfte nicht allein mit einer Kamera beizukommen sein. Das ganze Verfahren ist auf Überlistung und Tücke ausgerichtet.

       

      Eine der Hauptverantwortlichen für TTIP is Angela Merkel. Als Pro-tagonistin und Protektorin. Überdies als "mächtigste Frau der Welt" - welche aber offensichtlich nicht für Transparenz sorgen kann oder will. Aber anstatt die Dame ins Verhör zu nehmen läuft man/frau in Journalismus und Medien ihr in ihrer aus dem Hintergrund gesteuerten Politik nach und mystifiziert ihre nichtssagenden und ausweichenden Floskeln mit den höheren Weihen der merkelverstehenden Interpretation. "Was will die Kanzlerin". "Der Kanzlerin läuft die Zeit davon" usw.

       

      Es sind die Schicksalsjahre von Sissi-Politik und Sissi-Journalismus, und Angela kann tun was sie will.

  • Warum werden die Akten nicht endlich aus dem Fenster geworfen. Es reicht doch. Es geht doch nur um die Stärkung der Konzerne und sonst um nichts anderes. Und um das bisschen Umweltschutz was in Europa noch geblieben ist. Dieses will man auch noch schleifen. Wech damit und fertig is.

    Was soll dieser Kinderkram ???????

    Hans-Ulrich Grefe

  • Der Eiertanz und die angestrengte Geheimnistuerei, das permanente incommunicado um die TTIP-Vertragstexte kann nichts anderes heißen als: hier wird dem europäischen Untertanen Gift eingeschenkt. Von Vertretern und Vertreterinnen die sich explizit für die vitalen Interessen von Bürgern und Bürgerinnen einsetzen sollten und nicht für die von Lobbies oder auswärtigen Mächten.

     

    Es muß in diesem Zusammenhang einmal ganz offen angesprochen werden daß die feministische Revolution welche vor 30 Jahren mit dem Anspruch auftrat vieles wenn nicht alles besser zu machen offensichtlich verpufft ist. Nicht nur sind die maßgeblichen Betreiber hinter TTIP Frau Merkel, welche stets Erklärungen schuldig bleibt aber dafür im Hintergrund umso heftiger agiert (an Kommunikationsinstitutionen wie dem Parlment vorbei) und Frau Malmström* welche mit nicht verhehlter Verachtung auf Demokratie herunterschaut - nein, es bleibt auch aus dem breiten Bereich der politischen Vertreterinnen in den Parteien der unüberhörbare (!) Protest aus. Bei selbstverständlich voller Anerkennung daß auch (politische) Vertreterinnen sich gegen TTIP aussprechen und auch dagegen kämpfen - es kommt einfach zu wenig. Zwar poltert Frau Harms auf die Art der Grünen , aber angesichts der geistigen Verfaßtheit der Grünen sind das Umfallen und die bequeme Anpassung z.B. nach Machtbeteiligung ein Ding der Absehbarkeit.

     

    Lieber noch wettert frau bei den Grünen gegen Rußland. Frau Sitzmann, Grüne Fraktionsvorsitzende in Baden-Württemberg, tut das was ihr Name sagt und sitzt neben einem Herrn Kretschmann welcher seinerseits eine alles andere als klare Position gegen TTIP bezogen hat.

     

    Diese Revolution jedenfalls hat sich nach dem Einzug in die Institutionen in Luft aufgelöst.

     

    *siehe nur z.B. http://www.heise.de/tp/artikel/43/43954/1.html