Ulrike Herrmann über die weltweite Armut
: Lösungen unerwünscht

Warum gibt es Armut in einer reichen Welt? Diese Frage haben schon Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem „Kommunistischen Manifest“ von 1848 gestellt – und sie ist noch immer aktuell. Obwohl die Weltwirtschaft jährlich um etwa 4 Prozent wächst, vegetieren rund 700 Millionen Menschen an der absoluten Armutsgrenze.

Der Abstand zwischen Reich und Arm wird immer obszöner: Wie die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam jetzt in einer Studie ausgerechnet hat, verdient der Chef eines globalen Modekonzerns in vier Tagen so viel Geld wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem ganzen Leben.

Aber was ist zu tun? Eine erste Antwort wäre: Es muss einen globalen Mindestlohn in den Exportindustrien geben. Es würde keinem Konsumenten in Deutschland wehtun, wenn weltweit gelten würde, dass die Beschäftigten in der Textilindustrie in Bangladesch oder Kambodscha mindestens 5 Dollar pro Tag verdienen – und nicht nur 2 Dollar, wie es derzeit üblich ist. Dieser Mindestlohn wäre leicht einzuführen und zu kontrollieren: Die internationalen Modekonzerne müssten dafür haften, dass ihre Subunternehmer vor Ort ihre Beschäftigten richtig entlohnen.

Bleibt der zweite Skandal: die Steuerflucht. Für die Potentaten im globalen Süden rentiert es sich nicht, in ihre Länder zu investieren. Viel bequemer und lukrativer ist es, die eigenen Korruptionsmilliarden in die westlichen Steueroasen zu schleusen. „Steueroase“ klingt nach fernem Wüstenstaat oder einer kleinen Insel in tropischen Meeren – doch die größten Steueroasen sind die USA, Großbritannien und die EU.

Hinzu kommt die „Steuergestaltung“ der multinationalen Konzerne, die ihre Gewinne ganz legal transferieren und die armen Länder ebenfalls um Milliarden betrügen. Die beste Entwicklungshilfe wäre daher: Transparenz. Die westliche Welt schließt ihre Steuer­oasen und führt Mindestsätze bei den Konzernsteuern ein.

Das klingt sehr unwahrscheinlich? Ja, leider.

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