Kommentar Streit Nahost-Ausstellung: Hurra, wir knicken ein!
Wenn stramme Pro-Israel-Patrioten das Verbot einer Ausstellung fordern, dann steht die Meinungsfreiheit nicht mehr hoch im Kurs.
N ationalisten sind überall gleich: Türkische Nationalisten halten jeden, der an Verbrechen gegen Kurden oder Armenier erinnert, potenziell für einen Vaterlandsverräter. Chinesische Nationalisten leugnen, dass es ein Tibet-Problem gibt und halten den Dalai Lama für einen üblen Separatisten. Und israelischen Nationalisten ist jeder suspekt, der an die fortdauernde Entrechtung der Palästinenser erinnert.
Doch es gibt Unterschiede: Wenn türkische Nationalisten in Deutschland gegen eine Ausstellung zu Felde ziehen würden, die über die Kurdenfrage oder den Völkermord an Armeniern informiert, wäre die deutsche Öffentlichkeit empört. Wenn chinesische Nationalisten einem Tibet-Solidaritätsverein vorwerfen würden, er verbreite Hass auf Chinesen, wäre ihnen blanker Hohn gewiss.
Aber wenn stramme Pro-Israel-Patrioten das Verbot einer Ausstellung fordern, die aus palästinensischer Sicht über die Wurzeln des Nahostkonflikts aufklären will, dann sind die Fronten nicht mehr so klar. Dann knicken Oberbürgermeister, ob von Grünen oder der SPD, vor den Protesten ein, oder schließen sich, wie die Jugendverbände von Grünen und Linkspartei in München, sogar den Verbotsforderungen an. Plötzlich steht die Meinungsfreiheit nicht mehr ganz so hoch im Kurs.
Dabei geht es nicht um die Frage, ob einem die „Nakba-Ausstellung“, die nun schon seit Jahren durch die Lande zieht, in allen Details gefällt. Kritik kann sinnvoll sein, und Debatten sind notwendig. Aber es geht um mehr: In Israel hat die rechtsgerichtete Regierung 2012 ein Gesetz erlassen, dass alle israelischen Institutionen bestraft, die an Flucht und Vertreibung der Palästinenser von 1947 erinnern. Dieses „Nakba-Gesetz“ ist ein klarer Fall von Zensur. Es wäre fatal, wenn solche Zustände auch in Deutschland Einzug halten würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance