Kommentar Streit Energiewende: Nicht alle Kritiker sind Egoisten
Um den Ausstieg aus der Atomkraft und die Verringerung der Kohle zu erreichen, muss die Energiewende beschleunigt werden – und nicht gebremst.
M it einer Aussage hat Sigmar Gabriel zweifellos recht: Egal, wie er das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert, Kritik und Widerspruch wird es in jedem Fall geben. Schließlich gibt es im Energiesektor unzählige Interessen, die nicht alle gleichzeitig befriedigt werden können.
Wenn bayerische Bauern nun wegen des langsameren Biomasse-Ausbaus protestieren oder die Industrie ihre teilweise unberechtigten Privilegien komplett verteidigt, tut der Minister gut daran, sich darüber hinwegzusetzen.
Unrecht hat der SPD-Wirtschaftsminister allerdings mit seiner impliziten Schlussfolgerung, dass alle Kritiker seiner Pläne egoistische Einzelinteressen vertreten und er sie deswegen getrost ignorieren kann.
Wenn viele, auch SPD-regierte Bundesländer, nun fordern, auf den von Gabriel geplanten Deckel bei der Windkraft an Land zu verzichten, dann mag das auch aus Eigeninteresse geschehen. Zugleich ist damit aber auch der Energiewende als Ganzem gedient. Denn es ist eine Tatsache, dass Windräder an Land inzwischen die günstigste Form der sauberen Stromerzeugung sind. Wer eine möglichst preiswerte Energiewende will, darf Wind an Land nicht beschränken.
Gestoppt würde die Energiewende durch Gabriels Pläne im Gegensatz zur Befürchtung mancher Kritiker natürlich nicht. Aber sie würde vermutlich deutlich langsamer laufen, ohne günstiger zu werden. Aber um den beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft und die notwendige Verringerung der Kohle zu erreichen, muss die Energiewende beschleunigt werden, nicht gebremst.
Wenn die Länder dem Wirtschaftsminister diese simple Tatsache vermitteln können – und darauf deutet nach dem jüngsten Bund-Länder-Treffen einiges hin –, dann handeln sie nicht egoistisch, sondern erweisen uns allen einen wichtigen Dienst.
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