Kommentar Streik der Lokführer: Das Rückzugsgefecht
Der GDL geht es nicht um bessere Arbeitsbedingungen, sondern um Macht. Die fehlt ihr, was sowohl der Termin als auch der Umfang des Streiks zeigen.
D ieser Streik ist eine Farce. Es geht nämlich nicht darum, dass Lokführer, die eine verantwortungsvolle und anstrengende Schichtarbeit leisten, mehr Geld verdienen sollen. Sondern darum, dass eine kleine Spartengewerkschaft ihren Machtbereich ausdehnen will. Das ist den Millionen Betroffenen längst nicht mehr zumutbar.
Die Lokführergewerkschaft GDL sollte das einsehen und mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG eine Tarifgemeinschaft bilden. So wie das in anderen Branchen üblich ist.
Die GDL scheint mittlerweile zu spüren, dass sie sich verrannt hat. Schließlich hat sie es versäumt, ihren Organisationsgrad in den Berufsgruppen deutlich zu steigern, die sie vertreten will. Wenn nahezu alle Zugbegleiter oder Lokrangierführer mitstreiken würden, hätte sie eine andere Verhandlungsmacht. Stattdessen setzt die GDL alles auf die Streikmacht der Lokführer. Aber auch diese ist nicht grenzenlos. Daher hat dieser Streik bereits den Charakter eines Rückzugsgefechts, worauf sowohl der Termin als auch der Umfang des Ausstands hindeuten.
Normalerweise dehnen Gewerkschaften im Tarifkonflikt ihre Streiks immer weiter aus, um die Arbeitgeber zum Einlenken zu zwingen: bis hin zum unbefristeten Streik. Die GDL hingegen hat die Streikdauer diesmal verkürzt. Traut sie sich angesichts des Unverständnisses vieler Fahrgäste nicht mehr zu?
Auch die Terminierung des Streiks strotzt nicht gerade vor Selbstbewusstsein: Um Ferien und Feiertage zu umgehen – andernfalls würden die Bahnkunden noch wütender –, musste offensichtlich die knappe Zeit zwischen Osterferien und langem 1.-Mai-Wochenende genutzt werden. Wegen der Feiertage im Mai und der Pfingstferien in Süddeutschland droht der nächste GDL-Streik nach dieser Logik übrigens erst im Juni. Kleine Hoffnung für Bahnfahrer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt