Tarifverhandlungen mit der Bahn: GDL droht mit neuen Streiks
Erneut konnten Lokführergewerkschaft und Bahn keine Einigung erzielen. Einmal mehr sind Arbeitsniederlegungen angekündigt.
FRANKFURT/MAIN dpa | Reisenden und Pendlern drohen erneut Behinderungen im Bahnverkehr. Die Lokführergewerkschaft GDL wies am Donnerstag ein neues Tarifangebot des Unternehmens zurück und stellte einen weiteren Arbeitskampf in Aussicht. „Nun denn – diesmal wird es richtig lang“, hieß es in einer auf der GDL-Homepage veröffentlichten Stellungnahme. Die Gewerkschaft hat in dem Tarifkonflikt bislang sieben Mal den Güter- oder Personenverkehr bestreikt.
Die Bahn hatte am Mittwoch offeriert, die Löhne sollten vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent steigen. Dazu komme eine Einmalzahlung von insgesamt 1.000 Euro bis zum 30. Juni.
In der im Internet veröffentlichten Mitteilung bewertete die GDL das Angebot als unzureichend. Für 24 Monate würde lediglich eine Entgelterhöhung von rund drei Prozent wirksam. Die Gewerkschaft bezeichnete die Vorschläge der Unternehmensführung als „Dreistigkeiten“. Sie kritisierte, es gebe unter anderem weiterhin keine Angebote zur Absenkung der Arbeitszeit, zur Begrenzung von Überstunden sowie zur Belastungssenkung für das Zugpersonal. Außerdem wolle die Firma am „Zwei-Klassen-Lokomotivführer“ festhalten und Lokrangierführer schlechter bezahlen.
Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche. Sie hatte zuletzt in der vergangenen Woche im Personen- und Güterverkehr gestreikt. Den Knackpunkt in den Tarifverhandlungen sieht die GDL bei der Einstufung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn.
Ringen um Einfluss
Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber hatte gesagt, sollte die GDL die Wiederaufnahme von Verhandlungen ablehnen, schlage die Bahn ein Schlichtungsverfahren über alle Punkte vor. Die Gewerkschaft wirft der Bahn vor, auf Zeit zu spielen.
Der Konflikt ist so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Konzern ringt. Beide wollen zum Teil für dieselben Berufsgruppen verhandeln. Die Bahn will in getrennten Verhandlungen vergleichbare Ergebnisse erzielen.
Die EVG schloss am Mittwoch ihrerseits Streiks ausdrücklich nicht aus. Anlass war ein neues Angebot der Bahn für Service- und Sicherheitskräfte: 4,7 Prozent mehr Geld in zwei Stufen bei einer Laufzeit von 29 Monaten, wie die Gewerkschaft mitteilte. Die EVG fordert 6 Prozent, mindestens aber 150 Euro mehr Lohn und Gehalt. Sie kritisierte, die Bahn biete unterschiedliche Laufzeiten für verschiedene Berufsgruppen. Bei der nächsten Verhandlungsrunde am 12. Mai müsse die Bahn nachbessern.
Leser*innenkommentare
Tecumseh
Der Wettbewerb auf der Schiene sollte nun mal die Untätigkeit des Staates, den Verkehr wieder stärker auf den Gleisen statt auf den Straßen abzuwickeln verschleiern.
Wie waren da noch mal die Positionen der einzelnen Parteien?
64938 (Profil gelöscht)
Gast
Eine Gewerkschaftsführung, die bei einem Angebot von 4,7% und 1000,- Euro Einmalzahlung von Dreistigkeit redet entlarvt sich selbst - mit dem Mann wird es keine Kompromisse geben, Rücksicht kennt er nicht.
Die Kollegen, die so einem Scharfmacher ein Verhandlungsmandat erteilen, tun sich selbst keinen Gefallen.
Rainer B.
Die Dreistigkeit liegt darin, dass man zwar eine beachtliche Zahl von 4,7% vorgibt, aber die Basis so streckt, dass ohne eine gleichzeitige Senkung der Arbeitszeit und Überstunden max. 3% auf 24 Monate dabei rauskommt.
Mit "er" und "Scharfmacher" meinen Sie vermutlich Herrn Weselsky von der GDL, den man ja medial längst zum Buhmann hochstilisiert hat. Sie vergessen dabei aber, dass die EVG sogar 6% fordert und Sie vergessen, dass Streiks nicht von einzelnen Personen gemacht werden, sondern nur nach einer Urabstimmung stattfinden können, wenn sich mindestens 75% der Gewerkschaftsmitglieder dafür ausgesprochen haben. Gewerkschaftsführer wird man nicht, um "Rücksicht" zu üben, sondern ausschließlich, um die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder so gut wie möglich zu vertreten.
Age Krüger
Ich hätte mich sehr gefreut, wenn es bei verdi bei Verhandlungen im pflegerischen oder pädagogischem Bereich solche Gewerkschaftsführer gegeben hätte.
Aber beim Arbeitskampf von verdi für die Erzieher, dass die GdL auch Auswirkungen für die Einheitsgewerkschaften hat.
amigo
Kann es sein, dass sich der Streit bald von selbst erledigt, weil der Bahn genervte Kunden wegfallen und es dadurch zu betriebsbedingten Kündigungen kommt?
Rainer B.
@amigo Die Bahn hat doch im "normalen" Betrieb schon zu wenig Lokführer. Ein Grund für den Streik ist ja die grenzwertige Überstunden-Praxis bei der Bahn.
Tecumseh
@Rainer B. heißt also, vor betriebsbedingten Kündigungen käme Überstundenabbau.
Rainer B.
Betriebsbedingte Kündigungen von Lokführern kämen nur dann infrage, wenn die Bahn den Lokverkehr ganz oder teilweise einstellen, oder auf vollautomatische Systeme umstellen würde.
Da die Bahn ein bundeseigenes Unternehmen ist, müssten derartige Weichenstellungen in jedem Fall vorher vom Parlament verabschiedet werden - ansonsten kämen sie einem Staatsstreich gleich.