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Kommentar Strafgerichtshof in Den HaagWeniger wäre mehr

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag überschätzen sich selbst. Nur über Geld zu reden hilft da nicht.

D er Internationale Strafgerichtshof nimmt seine Arbeit ernst. Er steckt seine Nase überall auf der Welt dort hinein, wo Kriegsverbrechen begangen werden. Zwar stehen bis heute ausschließlich Kongolesen in Den Haag vor Gericht, und Laurent Gbagbo, ehemaliger Präsident der Elfenbeinküste, ist der bislang einzige nichtkongolesische Häftling in IStGH-Gewahrsam – eine magere Bilanz nach 10 Jahren; aber die Ermittler wollen hoch hinaus: nach Mali, nach Nigeria, am liebsten auch nach Kolumbien und Afghanistan, sogar Nordkorea.

Das ist ehrenhaft, aber zugleich eine heillose Selbstüberschätzung. Ein Gerichtshof, der noch kein einziges rechtskräftiges Urteil gefällt hat, sollte sich auf die gründliche und reibungslose Abwicklung seiner bestehenden Fälle konzentrieren, bevor er immer neue annimmt. Selbst ein auf das Dreifache vergrößerter Justizapparat in Den Haag könnte nicht die schwersten Verbrechen von 15 Krisenstaaten weltweit aufarbeiten.

Es droht eine Lähmung: Die neuen Fälle werden mangels Ermittlerkapazitäten nicht formal eröffnet, die alten werden mangels juristischer Kapazitäten nicht formal abgeschlossen. Das nützt niemandem, am allerwenigsten den Opfern von Verbrechen, um die es ja letztendlich geht. Der Sinn des IStGH liegt darin, Straflosigkeit zu beenden, nicht sie zu verewigen.

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Leiter des Auslandsressort der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.

Schon bei den laufenden Kongo-Verfahren ist zu erkennen, dass den Kongolesen mit einer umfassenden juristischen Aufarbeitung ihrer Konflikte im Land selbst möglicherweise besser gedient wäre als mit langwierigen, schwer verständlichen Verfahren in den Niederlanden. Bei den anstehenden Verhandlungen um eine Aufstockung des IStGH-Budgets sollte also nicht nur über Geld gesprochen werden. Es geht auch um das Selbstverständnis eines Weltgerichts, dessen Anspruch die Realität sprengt.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • DN
    Der Neue

    "Ein Gerichtshof, der noch kein einziges rechtskräftiges Urteil gefällt hat, sollte sich auf die gründliche und reibungslose Abwicklung seiner bestehenden Fälle konzentrieren, bevor er immer neue annimmt."

     

    Sind Sie sich da sicher?

    Meines Wissens wurde am 14.März 2012 der Milizenführer Thomas Lubanga verurteilt. Das Strafmaß wurde am 10.07.2012 bekannt gebeben: 14 Jahre Freiheitsentzug für die Rekrutierung von Kindersoldaten.

     

    Ist das kein rechtskräftiges Urteil?

  • A
    anke

    Sind Sie sicher, Herr Johnson? Ich meine: Glauben Sie wirklich, dass "der Sinn des IStGH […] darin [besteht], Straflosigkeit zu beenden"?

     

    Ich nehme an, für die, auf die es ankommt, liegt der Sinn dann doch eher im "Verewigen". Genau wie alle anderen "wichtigen" Organisationen, ist der IStGH eine PBM/GBM, eine Prestige- bzw. Geld-Beschaffungs-Maßnahme für Leute, die es nötig zu haben glauben.

     

    Mögen die (machtlosen) Opfer staatlicher Gewalt von einem Weltgericht auch noch so dringend erwarten, dass es Recht spricht. Das "Selbst-Verständnis" der (Chef-)Ermittler und (obersten) Richter ist offenbar ein anderes. Wer besser als jeder andere weiß, dass er eigentlich gar keine Macht (und auch keine in Aussicht) hat, für sein Ego aber dringend welche braucht, der tut halt gern mal als ob. Wieso sollten ausgerechnet Juristen die besseren Menschen sein – so ganz ohne Kita?

     

    Es gibt wohl nicht nur Immobilien-, sondern auch Rechts-Blasen. Und zwar aus den selben Gründen. Der Mensch ist der Mensch ist der Mensch - und keine Rose. Schade.