Kommentar Stellenabbau beim „Spiegel“: Vertane Chance
Das Medienhaus beschließt ein hartes Sparprogramm. Darin könnte auch eine Chance auf mehr Gerechtigkeit liegen. Doch die nutzt es nicht.
E xterne Unternehmensberater hat sich der Spiegel für sein Sparprogramm zwar nicht ins Haus geholt. Aber was Chefredakteure und Geschäftsführer am Dienstag vor Medienjournalisten ankündigten, kam dem McKinsey-Sprech schon sehr nah. Die „wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit“ müsse gesteigert werden, der Verlag solle „schlanker“ und „effizienter“ werden und werde „minimal viable products“ auf den Markt bringen. Kurz: Der Spiegel muss mehr Geld verdienen – und sparen.
Leisten soll das die „Agenda 2018“, nach dem Prinzip: Wachsen und Sparen. Von den insgesamt 727 Vollzeitstellen werden in den kommenden zwei Jahren 149 gestrichen, die meisten im Verlag. Das soll 15 Millionen Euro sparen. Gleichzeitig sollen neue Produkte mehr Geld einspielen.
In der Geschichte des Spiegel ist es das erste Mal, dass aus wirtschaftlichen Gründen Mitarbeiter entlassen werden. 15 Millionen sind nicht Nichts, aber im Vergleich zu anderen Medienhäusern auch keine Mammutsumme. Die FAZ will bis 2017 mehr als 20 Millionen Euro sparen und streicht 200 von 900 Stellen. Gruner + Jahr muss 75 Millionen Euro sparen und baut allein in Deutschland bis Ende 2017 rund 400 Jobs ab. Schön ist das alles nicht, aber in Zeiten, in denen Anzeigenerlöse, Auflagen und Gewinn einbrechen, wohl kaum zu vermeiden.
Die Zeiten, in denen Journalismus das Versprechen auf das große Geld war, sind längst vorbei – auch wenn der Spiegel im vergangenen Jahr immer noch 25 Millionen Euro Gewinn gemacht hat. Um Geld zu sparen, will die Geschäftsführung des Spiegels auch die Privilegien, die viele Printredakteure genießen, intern „Hausbrauch“ genannt, überprüfen: die Taxifahrt auf Verlagskosten nach spätem Dienstschluss, der Zuschuss zur Brille, Heirats- und Geburtsbeihilfen.
Junge RedakteurInnen profitieren davon bereits weniger als ältere. Zudem verdienen sie meist schlechter. Dies gilt auch für die Online-Redakteure, die zudem keine Mitglieder der KG sind und damit nicht am Gewinn des Heftes beteiligt werden. Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer würde diese interne Hierarchie gern ändern, dafür sei aber in der aktuellen Reform kein Platz gewesen, sagte er am Dienstag.
Das ist eine vertane Chance. Denn so schmerzlich die Einschnitte beim Spiegel nun auch sind, sie hätten für mehr Gerechtigkeit im Haus sorgen können. Der Unternehmensberater nennt das: „Das Betriebsklima verbessern“.
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