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Kommentar SparkassentagSchuldfrage klar, Wahrheit egal

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Im Streit um die Nullzinspolitik von EZB-Chef Draghi sind für Sparkassenpräsident Fahrenschon die Fronten geklärt. Seine Analyse aber ist falsch.

Vor der Krise? Eine Sparkassenfiliale Foto: dpa

I hre Existenz ist bedroht, wie die Sparkassen genau wissen. Sie können ihre Kosten nicht decken, wenn die Zinsen noch lange niedrig bleiben. Bleibt nur noch eine Frage: Wer ist Schuld an den niedrigen Zinsen?

Für Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon ist die Antwort eindeutig: Natürlich die EZB! Und vorneweg ihr Chef Mario Draghi, weil er ständig neues Geld druckt. Diese These vertritt Fahrenschon schon lange, und auf dem diesjährigen Sparkassentag hat er sie natürlich wiederholt.

Nun muss man wissen, dass Fahrenschon früher CSU-Finanzminister in Bayern war, und ihm ist der Populismus so wenig fremd wie seinem Ex-Chef Seehofer. Die Wahrheit ist weitgehend egal, so lange eine Behauptung gut klingt. Auch diesmal liegt Fahrenschon bewusst falsch: Die EZB kann die Zinsen nicht anheben, denn sie würden ökonomischen Schaden anrichten.

Eurozone kippt in die Deflation

Um es von vorn zu erklären: Die Eurozone nähert sich der Deflation, also fallenden Preisen. In vielen Krisenländern sinken die Preise sogar, und selbst im relativ stabilen Deutschland betrug die Inflationsrate 2015 nur noch 0,3 Prozent. Kunden freuen sich zwar, wenn die Preise nachgeben. Aber für die Gesamtwirtschaft ist eine Inflationsrate von Null extrem gefährlich.

Es tritt nämlich eine paradoxe Situation ein: Kredite werden selbst dann zu teuer, wenn der Zins bei Null liegt. Denn wenn die Preise fallen, sinkt auch der Umsatz, und jede Firma kann sich ausrechnen, dass sie einen Kredit nicht zurückzahlen kann, sobald die Einnahmen wegbrechen. Also nimmt niemand mehr ein Darlehen auf, was dann das Wachstum abwürgt.

Auch Wutausbrüche von Fahrenschon werden an den ökonomischen Zusammenhängen nichts ändern: Da sogar Zinsen von Null eigentlich zu hoch sind, sind höhere Zinsen erst Recht nicht drin.

Draghi kann übrigens nichts dafür, dass die Preise in der Eurozone schon fallen oder einer Deflation gefährlich nahe kommen. Er kann nur versuchen, das Schlimmste zu verhindern, indem er künstlich eine Inflation erzeugt. Also pumpt er Geld in die Banken und verlangt neuerdings sogar Negativzinsen, wenn sie ihr Guthaben bei der EZB parken.

Fahrenschon: typisch Populist

Fahrenschon müsste eigentlich dankbar sein, dass Draghi eine so rabiate Geldpolitik betreibt, denn eine schwere Wirtschaftskrise würde die Sparkassen erst recht ruinieren. Aber, typisch Populist, hat Fahrenschon andere Sorgen: Da die mageren Zinsen die Kosten der Sparkassen nicht decken, bleibt den Banken nur noch, ihre Gebühren zu erhöhen. Das freut die Kunden gar nicht – und diese Wut der Sparer möchte Fahrenschon auf Draghi umlenken.

Dabei wäre es an der Zeit, die deutschen Sparer aufzuklären: Ihre Bankgelder haben nur deswegen einen theoretischen Wert, weil sie es möglich machen, dass Kredite vergeben werden. Wenn jedoch fast niemand mehr ein Darlehen aufnimmt, dann sind auch die Ersparnisse überflüssig. Es ist nur konsequent, dass die Banken für wertloses Geld keine Zinsen zahlen – oder gar erhöhte Kontogebühren verlangen.

Die Misere der deutschen Sparer wird erst enden, wenn jemand ihr Geld will – also Kredite aufnimmt. Momentan könnte dies nur der Staat sein, aber der deutsche Finanzminister beharrt auf seiner „Schwarzen Null“. Fahrenschon sollte sich bei Schäuble beschweren, nicht bei Draghi.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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10 Kommentare

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  • Einnahmen und AUsgaben muessen uebereinstimmen. Wenn ich Schulden machen, muss ich sie zurueckzahlen. Da helfen auch politik-philosophische Betrachtungen nicht.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Die Politik der EZB hat doch schon längst eine massive Inflation erzeugt, allerdings nicht bei den Güterpreisen sondern bei den Vermögenspreisen, also bei Immobilien und Wertpapieren.

    Und warum sollte Schäuble Kredite aufnehmen? Die Staatseinnahmen sind so hoch wie noch nie in der Geschichte der BRD. Nächstes Jahr nach der Wahl kommt die Vermögenssteuer, eine höhere Erbschaftssteuer und eine höhere Kapitalertragssteuer. Die Kassen sind voll, wer braucht da Kredite?

  • "Denn wenn die Preise fallen, sinkt auch der Umsatz, und jede Firma kann sich ausrechnen, dass sie einen Kredit nicht zurückzahlen kann, sobald die Einnahmen wegbrechen. Also nimmt niemand mehr ein Darlehen auf, was dann das Wachstum abwürgt."

    Nur noch einen Millimeter von der ganzen Wahrheit entfernt , Frau Herrmann . Das für das Funktionieren des Systems notwendige Wachstum tendiert global wie innerstaatlich bedrohlich gegen Null , und das aus systemimmanenten Gründen unausweichlich . D e s h a l b werden (sind) die brachliegenden Berge von Geldvermögen wertlos . Weil das System selbst auf sein Ende hin zusteuert .

    • @APOKALYPTIKER:

      Ohjemine, all die klugen Erklärungsversuche. Die Faktoren sind dermaßen viele, dass sich schon manche Erklärung als Nonsense herausgestellt hat. Daher gilt: NOthing succeeds as success. Man nehme sich einfach die Liste der Länder und ihre wirtschaftlichen Daten. Gute Lebenschancen werden den Menschen in Nord-MittelEuropa geboten, Nordamerika, Australien, Japan usw, weniger gut Argentinien, Russland, Brasilien, Nicaragua usw. Ist ja nicht sehr schwer, sich mal so eine Liste anzuschauen. Auch die Lebenserwartung der Männer in Russland, gruselig.

  • endlich mal Klartext!

  • Den unterstellten unmittelbaren Zusammenhang zwischen Sparguthaben und Kreditvergabe gibt es so nicht, da die Geschäftsbanken über die Kreditgewährung Giralgeld schöpfen können.

  • Dem Herrn Fahrenschon gehts keineswegs um die Sparer! Dem Sparer ist (muss) doch nur wichtig sein:

    Infaltionieren meine Ausgaben fürLebenshaltubng höher als meine Rendite oder niedriger.

    Was nützen mir 5 % Zins aufs Vermögen bei 8 % Inflation um ein deutliches Beispiel zu nehmen. Da akzeptiert der Sparer besser 1% Zinsen bei 0,3 % Inflation, da hat er real immer noch 0,7 % Rendite.

     

    Bilanzen werden frei von Inflationsraten erstellt. Jeder höhere Wert beim Zins wirkt daher Umsatzerhöhend. Infation wirkt, gleicher Geschäftsbetrieb vorausgesetzt ebenfalls umsatzerhöhend. Das Geld muss sich drehen, sonst dreht sich nix. Und da Banken immer von anderen leben die wirklich was schaffen, Banken aber nie, ist er etwas verzweifelt.

    Das ist gut so.

  • Tja, nun outet sich die 'taz' doch als Anhänger*In der alten Wachstumsideologie... Denn das fehlende Wachstum, was Draghi auf Teufel komm raus herbeilocken will, ist das wahre Übel. So lese ich es grade :-(

    Schade.

    • @WBD-399:

      Es geht in diesem Artikel darum, dass die derzeitige Politik der schwarzen Null eine Deflation zur Folge hat und vor allem zu Lasten der Sparer geht. Dieses Nicht-Wachstum wirkt sich aber sicher nicht positiv auf die Umwelt aus, weil ja dabei trotzdem, wie wir sehen, der Ölpreis brutal niedrig ist, ebenso wie andere Rohstoffpreise, was gerade für viele arme Länder fatale Folgen hat. Äh, was ich eigentlich sagen will: Wachstum muss nicht per se schlecht sein und ungebremsten Konsum nach sich ziehen und Nichtwachstum bedeutet noch lange nicht einen Vorteil für die Umwelt oder die gerechte Verteilung, was auch immer...

    • @WBD-399:

      Wäre mir neu das "die Taz" eine einzelne Meinung vertritt. Wobei noch ein bisschen mehr diversität in den Beiträgen schön wäre.

       

      Allerdings ist dies ein Kommentar. Der Kommentar ist kein für das aktuelle System oder dagegen, sondern ein Kommentar auf Fahrenschons aussagen.

       

      Die werden kritisiert weil aufgrund der Meinung von Frau Herrmann (Was subjektiv ist vorallem weil es ein Kommentar ist.) absolut berechtigt ist.

       

      Wir haben mit unserem geld System ein pures Schuldsystem. Die Abschaffung des ganzen würde die Banken die sich aus Zinsen finanzieren und ein einziges Schuldsystem sind ruinieren. Es gibt Alternativen. Vernünftig organisierte Genossenschaftsbanken oder Islamische Banksysteme ohne ein Zinssystem. ABER darum geht es hier im Kommentar ja nicht.

       

      Und für unser aktuelles Bankensystem, was die Schulden verwaltet, ist der Kommentar wohl 100% angemessen.