Kommentar Spanisches Kabinett: Adios, Machos!
Angewandter Feminismus in Spanien: Das Kabinett des neuen Ministerpräsidenten Sánchez hat den höchsten Frauenanteil weltweit.
S panien, das Land der Machos? Das war einmal – zumindest, wenn es um die Politik geht. Die am Donnerstag vereidigte neue Regierung ist mit 65 Prozent weltweit die mit dem höchsten Frauenanteil. Einige der wichtigsten Ressorts haben fortan eine Chefin statt eines Chefs, so das Innen-, das Justiz-, das Verteidigungs-, das Wirtschafts- und das Finanzministerium. Im Vergleich dazu: Im ach so modernen Deutschland sind gerade einmal 44 Prozent Frauen in der Bundesregierung, in Österreich 37,5 Prozent und in der Schweiz sind es nur 32 Prozent.
Doch damit nicht genug. Die stellvertretende Regierungschefin ist nicht etwa Außenministerin, wie dies in der Bundesrepublik wohl der Fall wäre, oder für Wirtschaft zuständig, wie dies in Spanien nicht unüblich war. Es ist die Gleichstellungsministerin, die dem Kabinett vorsteht, wenn Ministerpräsident Sánchez auf Reisen sein sollte.
Spanien habe sich am vergangenen 8. März geändert, begründete der Sozialist Sánchez, warum er statt einer paritätischen Regierung eine mit mehr Frauen zusammengestellt hat. Und er hat recht. Am vergangenen Frauentag streikten die Spanierinnen, aber auch viele Spanier für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz. Die Beteiligung überraschte alle, selbst die Gewerkschaften. Die beiden großen Arbeitnehmerorganisationen hatten zu zwei Stunden pro Schicht gerufen. Hunderttausende blieben den ganzen Tag der Arbeit fern. Riesige Frauenrechtsdemonstrationen füllten am Abend die Straßen.
Junge Frauen wollen endlich ihren Teil der Macht
Seither ist nichts mehr, wie es war. Ob beim Kampf gegen die Gängelung des öffentlichen Rundfunks oder wenn es um die Erneuerung staatlicher Institutionen geht, die Frauen führen die Proteste und Debatten an. Sánchez hat nur darauf reagiert. Es sind vor allem die jungen Frauen, die endlich ihren Teil der Macht wollen, schließlich sind sie so gut ausgebildet wie noch nie.
Die Zusammensetzung der Regierung zeigt, dass Diskussionen über Quote und Qualifizierung der Frauen nur eines sind: leeres Geschwätz. Natürlich gibt es Spezialistinnen in allen Bereichen. Natürlich gibt es Frauen, die Führungspositionen so gut oder gar noch besser als ihre männliche Kollegen ausfüllen können. Dass dem noch nicht überall so ist, hat nur eine Erklärung: Machismus. Und dem abzuhelfen ist eigentlich ganz einfach, wie Spanien. jetzt zeigt. Es ist eine Frage des politischen Wollens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei