Kommentar Smart-Home-Überwachung: Alexa, du Verräterin
Die Politik will, dass Behörden Zugriff auf die Daten von Smart-Home-Geräten bekommen. Doch welcher Verbrecher bestellt bei Alexa schon Sprengstoff?
W er digitale Geräte nutzt, hinterlässt Spuren: über Aufenthaltsorte, auf welchen Seiten er oder sie sich im Netz herumtreibt, über Vorlieben, Meinungen und Konsumverhalten. Auch ein Abschalten der Geräte bringt gar nichts oder nicht viel. Tracking ist mit einfachen technischen Mitteln möglich.
So ist es also nicht verwunderlich, dass die Innenminister der Republik sich die digitalen Technologien zunutze machen wollen. Die USA haben es vorgemacht und Verbrecher*innen über die Auswertung von Alexa oder Siri überführt. So sollen nach dem Willen der Politik, allen voran der Polizei, auch in Deutschland die Behörden Zugriff auf die Datensammlungen der Smart-Home-Geräte bekommen. Der Aufschrei der Datenschützer*innen ist schlauerweise schon mitgedacht. Beschwichtigungen werden umgehend verbreitet. Die Behörden argumentieren mit dem Schutz vor Terror und Verbrechen. Und damit, dass sie und Datenschützer*innen kontrollieren können, wer die Daten erhebt und speichert. Doch das ist ein Trugschluss.
Auskünfte darüber, wer die Informationen zu den vermeintlich Verdächtigen bekommt, sind unklar. Neben Polizei und Bundeskriminalamt haben längst schon Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst Begehrlichkeiten angemeldet – oder zumindest nicht ausgeschlossen. Die Geheimdienste sind kaum einem Rechenschaft schuldig. Allenfalls im Parlamentarischen Kontrollgremium könnten Details dann bekannt werden. Nach außen dringen dürfte nichts – schließlich fallen diese Informationen unter den Passus der Geheimhaltung, die dem Schutz des Landes gilt.
Ob die Überwachung von vermeintlichen Terrorist*innen über ihre Smart-Home-Geräte einen echten Nutzen hat, ist mehr als fraglich. Welche Verbrecher*innen fragen im Ernst bei Alexa oder Siri an, wenn sie Sprengstoff bestellen, mit ihren Anführer*innen Kontakt aufnehmen oder Anschlagspläne schmieden? So ist der Vorstoß ein Einfallstor in eine abgesegnete Überwachungsorgie privater Daten, die keiner mehr steuern kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen