Kommentar Sigmar Gabriel: Der Traum vom Bundeskanzler
Der SPD-Vorsitzende hätte nur Kanzler-Chancen, wenn er ein Misstrauensvotum stellen würde. Das wird nichts. Der Wahlkampf bleibt aussichtslos.
W ann, wenn nicht jetzt? Schon Ende dieser Woche könnte die Regierung Merkel Geschichte sein. Ihr furchtbarer Finanzminister Schäuble, der aus einem Europa der Verständigung und des Konsens eines der Erpressung und der Erniedrigung gemacht hat, müsste auf den Oppositionsbänken Platz nehmen. Sigmar Gabriel wäre Bundeskanzler, gewählt mit den Stimmen von Grünen und Linken. Wenn, ja, wenn nur die SPD jetzt ein konstruktives Misstrauensvotum beantragen würde.
Die Griechen bekämen anschließend einen halbwegs fairen Deal, das Verhältnis zu Frankreich und Italien würde repariert. In der SPD dürften sie eine solche Idee für romantische Träumerei halten. Aber in Wirklichkeit ist es die einzige Chance für Gabriel, Bundeskanzler zu werden.
Die nationale Karte, die der SPD-Vorsitzende stattdessen in den Griechenland-Verhandlungen gespielt hat, ist aus innen- wie außenpolitischen Gründen eine Fehlkalkulation. Innenpolitisch macht sie eine rot-rot-grüne Regierung unmöglich, weil die Linkspartei nicht mit einem Mann zusammenarbeiten kann, der die Politik der Erpressung gegenüber der eigenen Schwesterpartei Syriza für richtig hält.
Außenpolitisch, weil Schäubles Politik darauf abzielt, die deutsche und neoliberale Hegemonie in Europa aufrechtzuerhalten – und eine soziale Alternative auch in Frankreich, Italien und Spanien unmöglich zu machen. Die SPD war aber immer dann erfolgreich, wenn sie auf erfolgreiche andere (mehr oder weniger) sozialdemokratische Regierungschefs verweisen konnte – von Olof Palme über Jitzhak Rabin bis Bill Clinton.
Die SPD ist aber die SPD. Sie wird kein konstruktives Misstrauensvotum wagen, sondern stattdessen „Zickzack-Siggi“ Gabriel in einen aussichtslosen Wahlkampf 2017 schicken, so wie zuvor schon Steinmeier und Steinbrück. 12 verlorene Jahre für die SPD. Wie viele noch?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation