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Kommentar Sigmar GabrielDer Traum vom Bundeskanzler

Kommentar von Martin Reeh

Der SPD-Vorsitzende hätte nur Kanzler-Chancen, wenn er ein Misstrauensvotum stellen würde. Das wird nichts. Der Wahlkampf bleibt aussichtslos.

Sigmar Gabriel (r.) wird wohl in der zweiten Reihe verharren. Foto: dpa

W ann, wenn nicht jetzt? Schon Ende dieser Woche könnte die Regierung Merkel Geschichte sein. Ihr furchtbarer Finanzminister Schäuble, der aus einem Europa der Verständigung und des Konsens eines der Erpressung und der Erniedrigung gemacht hat, müsste auf den Oppositionsbänken Platz nehmen. Sigmar Gabriel wäre Bundeskanzler, gewählt mit den Stimmen von Grünen und Linken. Wenn, ja, wenn nur die SPD jetzt ein konstruktives Misstrauensvotum beantragen würde.

Die Griechen bekämen anschließend einen halbwegs fairen Deal, das Verhältnis zu Frankreich und Italien würde repariert. In der SPD dürften sie eine solche Idee für romantische Träumerei halten. Aber in Wirklichkeit ist es die einzige Chance für Gabriel, Bundeskanzler zu werden.

Die nationale Karte, die der SPD-Vorsitzende stattdessen in den Griechenland-Verhandlungen gespielt hat, ist aus innen- wie außenpolitischen Gründen eine Fehlkalkulation. Innenpolitisch macht sie eine rot-rot-grüne Regierung unmöglich, weil die Linkspartei nicht mit einem Mann zusammenarbeiten kann, der die Politik der Erpressung gegenüber der eigenen Schwesterpartei Syriza für richtig hält.

Außenpolitisch, weil Schäubles Politik darauf abzielt, die deutsche und neoliberale Hegemonie in Europa aufrechtzuerhalten – und eine soziale Alternative auch in Frankreich, Italien und Spanien unmöglich zu machen. Die SPD war aber immer dann erfolgreich, wenn sie auf erfolgreiche andere (mehr oder weniger) sozialdemokratische Regierungschefs verweisen konnte – von Olof Palme über Jitzhak Rabin bis Bill Clinton.

Die SPD ist aber die SPD. Sie wird kein konstruktives Misstrauensvotum wagen, sondern stattdessen „Zickzack-Siggi“ Gabriel in einen aussichtslosen Wahlkampf 2017 schicken, so wie zuvor schon Steinmeier und Steinbrück. 12 verlorene Jahre für die SPD. Wie viele noch?

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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5 Kommentare

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  • Ist der Kommentar ernst gemeint? Herr Gabriel hat keine Chance, Bundeskanzler zu werden. Warum sollte die Wirtschaftslobby ihre beste Kasperpuppe gegen ihre zweitbeste austauschen wollen?

  • Wer soll das sein, DIE SPD die "aber die SPD [ist]" und "Gabriel in einen aussichtslosen Wahlkampf 2017 schicken [wird]"?

     

    Die SPD ist seit Jahrzehnten schon identisch mit ihren jeweiligen Chefs. Sie hat nämlich ausgerechnet vom Conrad Adenauer, dieser Ein-Mann-CDU, und seinem Urenkel, dem dicken Kohl, das Siegen lernen wollen. Nur hat sie dabei übersehen, dass der gemeine SPD-Wähler eigentlich etwas anders "tickt" als der gemeine CDU-Wähler. Während letzterer sich mehrheitlich am wohlsten fühlt, wenn er passiv und gedankenlos einem starken Führer vertrauen darf (konservatives Weltbild), hat sich ersterer früher häufig eingebildet, er müsse sich an der eigenen Rettung aktiv beteiligen und zu diesem Zweck womöglich sogar mitdenken und mitreden (progressives Weltbild).

     

    Inzwischen sind die progressiv Denkenden längst ausgetreten aus Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück & Co.. Geblieben sind Leute, die (wie ihre Führer) in der CDU wären - wenn sie denn dem Bürgertum entstammen und sich nicht Traditionen verpflichtet fühlen würden, die älter sind als sie und nie so ganz die ihren werden können. Anno 2015 geben diese Leute mangels Masse allerdings schon keinen Kanzerwahlverein mehr ab. Es gab ja schließlich mal die große "Aufstiegs"-Welle in den 70-ern, etwas, dessen Konsequenzen die Möchtegern-Adenauer in der SPD nicht so recht verstehen wollten, weil es ihre Lebensleistung als Selfmade-Man schmälern würde.

     

    Nein, DIE SPD wird kein konstruktives Misstrauensvotum wagen. Sie wird sich selber treu bleiben in ihrer Irrationalität. Was sollte sie auch sonst tun als Personal-Union? Sie hat keine Alternative zu sich selbst. Sie wird sich also weiter ruinieren – und nebenbei Europa und die Zukunft eines ganzen Kontinents. Am Ende aber wird sie überzeugt sein, dass das andere gewesen sind. Und zwar nicht nur in Gestalt der Herren G., S. und S..

  • Die SPD will gar nicht gewinnen. Sie haben schon vor etlichen Jahren aufgegeben. Aber es lebt sich ganz gut als Verlierer ->Gabriel, Steinbrück, Steinmeier. Die blühen doch in der Niederlage auf, weil sie individuell immer noch oben sind. Und ihnen gehören immer noch viele Medien - da können sie dann ein Lobeslied bestellen, wird ja geliefert.

  • Wir bekommen, seit H. Kohl, noch ohne weiteres 50 Verlorene Jahre hin. Unter Mithilfe der Grünen!

  • Der Traum von wat? Sigmar, wo weht die Fahne heute hin; und der Traum vom Kanzler? Lol heisst doch laut auflachen, oder? Ein absurd lächerlicher Gedanke.