Unglaublich! Die Fifa ist womöglich korrupt. Wer hätte das gedacht? Alle, alle haben es gedacht. Und doch war die Aufregung riesig, als am Mittwoch in der Schweiz, drei Tage vor den Kongress des Internationalen Fußballverbands, etliche führende Fußballfunktionäre verhaftet worden sind.
Niemand dürfte sich darüber gewundert haben, dass sich in der Fifa Bonzen tummeln, die ihr Vermögen mittels Vorteilsnahme oder Geldwäsche mehren. Die Fifa eben! Und doch wehte an diesem Mittwochvormittag so etwas wie ein Hauch der Hoffnung durch die Welt des Fußballs. Als dann auch noch bekannt wurde, dass die Schweizer Polizei wegen Korruptionsvorwürfen in den Räumen der Fifa ermittelt, sahen viele die Tage vom ewigen Fußballweltbeherrscher Joseph Sepp Blatter gezählt. Sollte am Ende doch noch das Gute im Fußball siegen?
Es ist Blatter selbst, der über die Jahre seiner Regentschaft nie müde wurde, das Gute im Fußball zu predigen. Der Fifa-Fußball inszenierte sich als Retter der Menschheit vor dem Hunger, als Kämpfer für die Gendergerechtigkeit, als Weltfriedensorganisation. „For the Game. For the World“, lautet ihr Motto. Der Einsatz für das Gemeinwohl, der allerorten behauptet wird, wurde zur Basis des irrwitzigen geschäftlichen Erfolgs eines Verbandes, der 1904 von einer Handvoll Männer gegründet worden ist.
Die Fifa ist in der Schweiz als gemeinnütziger Verein registriert. Darüber wird schon lange gelacht. Und doch verbinden immer noch viel zu viele Menschen mit dem Fußball ein Heilsversprechen und träumen von einer gerechten und demokratischen Weltorganisation, angeführt von einem weisen Manager, der nur dem Sport dient.
Von der Fifa und ihrem Sepp
Undemokratisch, intransparent, korrupt, machtbesessen, ein Männerbund: Es gibt nur wenig, was man der Weltfußballorganisation Fifa nicht vorwerfen kann. Ihr Chef, Joseph (Sepp) Blatter, soll am Freitag wiedergewählt werden, damit sich daran nichts ändert. Menschliche Hybris lässt sich gut in der Form eines Märchens darstellen. Wohlan: Von der Fifa und ihrem Sepp (frei nach: Vom Fischer und seiner Frau in der Fassung der Gebrüder Grimm).
Foto:
dpa
Es war einmal eine Fifa und ihr Gemahl Blatter Sepp, die wohnten zusammen auf einem Bolzplatz, und die Fifa kickte dort alle Tage. Da fand sie einen großen Ball im Tor. Dieser war ein verwunschener Prinz und bat, nicht getreten zu werden. Als die Fifa zu ihrem Gemahl zurückkehrte, war er unzufrieden: „Hast du dir denn nichts gewünscht? Du hättest uns doch ein kleines Stadion wünschen können. Geh' noch einmal hin und rufe ihn.“
Foto:
reuters
Die Fifa wollte ihrem Gemahl nicht zuwider sein und ging hin. Der Rasen war ganz grün, der Ball kam angerollt und sagte: „Na, was will er denn?“ – „Ein Stadion.“ – „Geh' nur hin“, sagte der Ball, „er hat es schon.“ Da war der Blatter Sepp zufrieden. So ging das wohl acht Tage, da forderte er: „Höre, Fifa, das Stadion ist gar zu eng. Geh' hin zum Ball, er soll uns bis 2018 ein größeres Stadion in Russland schenken.“
Foto:
imago / golanov+kivrin
Als die Fifa zurückkehrte, war der Rasen fast gelb und nur noch ein wenig grün, und der Ball fragte: „Na, was will er denn?“ – „Ach“, sagte die Fifa halb betrübt, „er will in einem noch größeren Stadion in Katar leben.“ – „Geh' nur hin, es steht vor der Tür“, sagte der Ball. Auch da war der Blatter Sepp zufrieden.
Foto:
dpa
Am anderen Morgen aber wachte er auf und sagte: „Fifa, steh auf und guck einmal aus dem Fenster! Sieh, können wir nicht Kanzler oder Präsident des Landes werden? Geh' hin zum Ball, wir wollen Herrscher sein.“ – „Das ist nicht recht“, dachte die Fifa, ging aber trotzdem hin. Da war der Rasen ganz gelb und sandig, und der Ball fragte: „Na, was will er denn?“ – „Er will Herrscher sein.“ – „Geh' nur hin, er ist es schon“, sagte der Ball.
Foto:
dpa
Da ging die Fifa hin und da waren so viele Soldaten mit Pauken und Trompeten vor dem Stadion. Blatter saß am Ende einer langen Tafel, von Ministern umringt. „Ach, Sepp, was ist das schön, wenn du Herrscher bist! Nun wollen wir auch nichts mehr wünschen“, sagte die Fifa. – „Nein“, sagte der Blatter und ward ganz unruhig, „ich kann das nicht mehr aushalten. Geh' hin zum Ball, Herrscher bin ich, nun muss ich auch Kaiser werden.“
Foto:
dpa
Als die Fifa hinging, war ihr ganz bange, und als sie so ging, dachte sie bei sich: „Das geht nicht gut, Kaiser ist zu unverschämt, der Ball wird's am Ende müd'.“ Damit kam er an; da war der Rasen ganz sandig und holprig, fast wie auf der Bielefelder Alm. „Nun, was will er denn?“, fragte der Ball. „Ach, Ball“, sagte er, „der Sepp will Kaiser werden.“ – „Geh' nur hin“, sagte der Ball, „er ist es schon.“
Foto:
dpa
Da ging die Fifa hin, und als sie dort ankam, war das ganze Stadion von poliertem Marmor mit goldenen Figuren und goldenen Zieraten. Und als sie hineinkam, da saß der Blatter auf einem Thron, der war von einem Stück Gold, und war sechs Ellen hoch. „Sepp, bist du nun Kaiser?“ – „Fifa“, sagte er, „was stehst du dort? Ich bin nun Kaiser, nun will ich aber auch Papst werden; geh' hin zum Ball.“
Foto:
dpa
Da ging die Fifa hin und der Rasen war zu roter Asche geworden. „Nun, was will er denn?“, fragte der Ball. „Ach“, sagte die Fifa, er will Papst werden.“ – „Geh' nur hin, er ist es schon.“ Da ging sie heim und Sepp war in lauter Gold gekleidet und alle die Kaiser und die Könige lagen vor ihm auf den Knien und küssten ihm den Zoggeli. Da sagte die Fifa: „Sepp, nun sei zufrieden, jetzt bist du Papst, nun kannst du nichts mehr werden.“
Foto:
dpa
„Das will ich mir bedenken“, sagte der Blatter. Und als er morgens aus dem Fenster die Sonne so heraufkommen sah, dachte er, „kann ich nicht auch die Sonne und den Mond aufgehen lassen? Fifa“, rief er, „wach' auf, geh' hin zum Ball, ich will werden wie der liebe Gott.“ Da ging die Fifa hin und der Rasen war zum Schließfach einer Schweizer Bank geworden. „Nun, was will er denn?“, fragte der Ball. „Ach“, sagte die Fifa, er will werden wie der liebe Gott.“
Foto:
dpa
„Geh' nur hin“, sagte der Ball, „seine Gehilfen wurden gerade unter Korruptionsverdacht festgenommen. Ihr beide aber sollt zusammenbleiben.“ Und das sind sie auch bis auf den heutigen Tag.
Foto:
dpa
Es ist ein naiver Traum. So naiv wie die Vorstellung, die Deutsche Bank könne zu einer wohltätigen Organisation werden. Das System von Geben und Nehmen, das die Fifa etabliert hat, ist durch ein paar Verhaftungen und die Sicherstellung von Akten so schnell nicht zu erschüttern.
Die Staaten, die gewinnorierten Großverbänden wie der Fifa, der Uefa oder dem IOC immer noch den roten Teppich ausrollen, tragen daran eine Mitverantwortung. Auch in Deutschland werden diese Organsisationen von Steuern befreit, wenn sie ihre Geschäfte machen. Nur deshalb kann zum Beispiel am 1. Juni das Endspiel der Champions League, auf das sich viele so sehr freuen, in Berlin stattfinden. Bei der WM 2006 war das auch nicht anders. Beim Sommermärchen? Ja, liebe Fußballfreunde, das war auch ein Event der Fifa. Hat das eigentlich irgendwen gestört?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Nach dem Fifa-Skandal beraten die Verbände ihr Verhalten. Der bisherige Präsident Blatter sagt Termine ab. Die Fußball-Welt hat ihr Urteil schon gefällt.
Die Fifa muss unbedingt bleiben! Nur so kann man den Leuten vor Augen führen, dass Spitzensport der größte Irrtum der Weltgeschichte ist. Förderung des Spitzensports mit öffentlichen Mitteln muss schlicht und ergreifend ein Straftatbestand werden. Die Fifa kann machen, was sie will, aber bitte nur mit ihrem eigenen Geld.
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“