Kommentar Seenotretter im Mittelmeer: Imageträchtige Hetzkampagne

Die Vorwürfe, NGOs würden Schleppern helfen, zielen auf deren Kriminalisierung ab. Ihre Würdigung passt nicht in die Strategie der Abschreckung,

Ein Schiff mit vielen Menschen auf dem Meer

Einsatz des Schiffes „Iuventa“ der italienischen Juventa-Jugend im Mittelmeer Foto: dpa

Der italienische Staatsanwalt Carmelo Zuccaro ist nicht der Erste, der Sea-Watch und anderen Hilfsorganisationen vorwirft, mit Schleppern zu kooperieren. Frontex-Chef Fabrice Leggeri und der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hatten den NGOs in einer ersten Welle der Kritik unterstellt, das Geschäft der Schlepper zu befördern. Und der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hatte die Organisationen als „Partner“ der Schlepper bezeichnet und gefordert, der „NGO-Wahnsinn“ müsse „beendet werden“.

Genau das ist das Ziel solcher durch nichts belegten Verleumdungen, von denen sogar der Staatsanwalt selbst zugibt, es seien „leider keine gerichtsverwertbaren Beweise“. Aber wenn nicht juristisch, so ist eine solche Hetzkampagne doch zumindest in Sachen Image wirksam: Mit solchen Behauptungen sollen die Hilfsorganisationen kriminalisiert werden.

Der Grund dafür ist durchschaubar: Im Mittelmeer sollen so wenig Organisationen wie möglich unterwegs sein, damit die Öffentlichkeit vom Versagen und dem immer weiteren Rückzug der staatlichen Stellen so wenig wie möglich mitbekommt. Deshalb setzt die EU statt auf eigenes Engagement oder die Helfer auch lieber auf so zweifelhafte Partner wie die libysche Küstenwache, die Menschen ihrem Schicksal überlässt oder Rettungseinsätze auch schon mal aktiv behindert.

Mehr als 5.000 Menschen wurden 2016 tot aus dem Mittelmeer geborgen, und ohne Organisationen wie Sea-Watch oder Sea-Eye wären es noch viel mehr gewesen. Mittlerweile werden bis zu 40 Prozent der Migranten, die in Seenot geraten, von privaten Organisationen gerettet.

Die NGOs sollten für ihre Arbeit ausgezeichnet und gefeiert werden. Doch das passiert nicht, weil die Staaten nicht retten, sondern Migration stoppen wollen. Die Mittelmeerrouten sollen immer abschreckender, immer gefährlicher werden. Und die Menschen weiter und weiter sterben.

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war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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