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Kommentar Schutz in der BrutzeitMogelpark Wattenmeer

Kommentar von Thomas Schumacher

Der Nationalpark Wattenmeer bewegt vor allem die Touristikagenturen, die mit dem Label Geld machen. Der Naturschutz wird vernachlässigt.

Kommen in Scharen, um die Natur zu sehen und Kutsche zu fahren: Touristen Foto: dpa

E igentlich juckt ihn niemanden mehr, der Schutz des Nationalparks Wattenmeer, vulgo Weltnaturerbe. Während die letzten Romantiker noch fälschlich behaupten, der bombastische Titel „Weltnaturerbe“ sei verbunden mit einem besonderen Schutzstatus, knallen in den Touristikagenturen die Sektkorken. Ein besseres Etikett zur Vermarktung der Nordsee hätten sie nicht bekommen können. 30 Prozent mehr Gäste bejubelt der Küstenort Norddeich aktuell. Aber da ist schon längst Ballermann.

Und dann die wirtschaftlichen Nutzungen! Fischer pflügen auf der Jagd nach Krabben oder Muscheln den Meeresboden und zerstören dieses Ökosystem. Fischbrötchenesser, bedenke beim Biss in die Delikatesse: Ein Kilo gefangene Krabben bedeuten für acht Kilo Kleinkrebse, Jungfische und andere Meeresbewohner als Beifang den Tod.

Dann die Offshore-Industriewindparks: Damit ist das geschützte Wattenmeer langfristig für die industrielle Nutzung freigegeben. Der Windpark Nordergründe in der Wesermündung neben Wangerooge steht als Barriere an der Grenze des Nationalparks. Ihre Klage dagegen haben sich die Umweltverbände abkaufen lassen.

Norderney faktisch zersägt

Jetzt wird über Jahrzehnte der Wattboden aufgerissen. Die Insel Norderney musste faktisch zersägt werden, um die Kabel, die die Windanlagen mit dem Festland verbinden, zu verlegen. Eine gigantische Arbeit. Und die soll, unter anderem, „ausgeglichen“ werden durch den Abriss einer hundert Jahre alten Betonplattform von der Größe eines Einfamilienhauses vor der Vogelinsel Memmert?

Offensichtlich ist die oberste Naturschutzbehörde des Wattenmeeres, die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven, mit ihrer Schutzaufgabe völlig überfordert. Angesichts der gewaltigen Aufgabe, systematisch Schutzzonen einzurichten und effiziente Kompensationspools zu planen, tappt sie mit dem Blindenstock durchs Watt und ordnet Zufallsprojekte an.

Dass sie den Abriss der Plattform zur Brutzeit ihres Schutzklientels nicht nur erlaubt sondern quasi angeordnet hat, macht die Nationalparkverwaltung nicht nur unglaubwürdig, es disqualifiziert sie.

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