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Kommentar Schulpolitik Schleswig-HolsteinDer nächste Schulkrieg

Im Landtagswahlkampf Schleswig-Holstein steht mal wieder die Bildungspolitik im Mittelpunkt. Völlig überflüssig

Vielleicht einfach mal machen lassen? Foto: Felix Kästle/dpa

Schon wieder eine Schulstrukturdebatte. Und schon wieder auf dem Rücken von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern. Und schon wieder nur zur Profilierung einer inhaltsleeren Partei im Landtagswahlkampf. Die CDU in Schleswig-Holstein spielt mit der Zukunft derer, deren Glück ihr angeblich so am Herzen liegt: der Kinder der nächsten Generation.

Ähnlich wie in Hamburg hatten sich auch im nördlichsten Bundesland die schulpolitischen Akteure in einem „Bildungsdia­log“ mit der Politik auf eine Struktur geeinigt – den „Schulfrieden“. Danach gibt es in Schleswig-Holstein nur noch das Gymnasium und die für alle Kinder offene Gemeinschaftsschule. Das Abitur nach acht Jahren soll es an Gymnasien geben, das nach neun Jahren nur an den Gemeinschaftsschulen.

Aber Kinder und Jugendliche durchs Turbo-Abi zu jagen, damit sie bloß noch als Minderjährige an die Hochschulen stürmen und als 21-jährige Bachelors in das akademische Berufsleben geworfen werden können, war in der Tat eine selten dämliche Idee. Deshalb ist die Rückkehr zum G9 inhaltlich eine Debatte wert.

Aber sie taugt nicht für den Wahlkampf einer konservativen Partei, der die Themen ausgehen. Schulpolitik sollte grundsätzlich aus Wahlkämpfen herausgehalten werden. Erst nach sachlicher und ideologiefreier Diskussion sollten Änderungen nur im breiten gesellschaftlichen Konsens aller Akteure und mit langer Laufzeit vorgenommen werden.

Dass Schleswig-Holsteins CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther G8 rückblickend für einen Fehler hält, beweist nur, dass er schlauer wurde. Aber was hindert ihn daran, die Korrektur in wenigen Jahren wieder für falsch zu halten? Bildungspolitik darf keine Frage von Launen sein, sondern braucht größtmögliche Verlässlichkeit für alle Seiten. Und eine Ministerin die nicht wie Karin Prien um der eigenen Karriere willen ihr Mäntelchen in den Wind hängt.

Schulpolitik braucht Frieden, keinen Krieg.

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2 Kommentare

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  • Aha, noch einer dem die Zukunft der Kinder der nächsten Generation angeblich am Herzen liegt!

     

    „Aber Kinder und Jugendliche durchs Turbo-Abi zu jagen, damit sie bloß noch als Minderjährige an die Hochschulen stürmen und als 21-jährige Bachelors in das akademische Berufsleben geworfen werden können, war in der Tat eine selten dämliche Idee“, schreibt Sven-Michael Veit. Ein Widerspruch ist offenbar nicht vorgesehen. Dämlich ist dämlich. Und damit: Basta.

     

    Nein, die Rückkehr zum G9 ist dem Hamburg-Redakteur der taz „inhaltlich [k]eine Debatte wert“. Es ist nicht die “sachliche[] und ideologiefreie[] Diskussion“, die er sich wünscht. Es ist der 180-Grad-Schwenk. Es sind die Hände an der Hosennaht. Es sind die Absätze, die hörbar aneinander geschlagen werden. Es ist der Sieg, ohne zuvor auch nur gekämpft zu haben.

     

    So etwas lehren also Redakteure heute. Zuhause, in der Schule und wohl auch im Job. Immer noch. Aber das große Problem mit deutschen Gymnasien ist nicht, dass sie eine glücklich-freie Kindheit vorzeitig abwürgen. Im Gegenteil. Das Problem ist, dass sie eine unfreie Kindheit über Gebühr verlängern.

     

    Mit 18 sollten Menschen in der Lage sein, sich zu entscheiden, Verantwortung zu übernehmen für sich selbst. Am Gymnasium lernen sie leider vor allem büffeln und nachbeten, nicht denken. Das wird nicht anders, wenn man die Schulzeit verlängert. Das wird höchstens anders, wenn die Gesellschaft sich wandelt, auf die die Schule vorbereitet.

     

    Erst wenn Erfolg nicht mehr bedeutet, schneller zu sein und andere mit Hilfe bereits Etablierter zu dominieren, werden Eltern eine andere Schule wollen. Eine, die ihre Kinder zu freien Menschen macht. Erst, wenn nicht mehr bestraft wird, wer nicht bloß parieren will, wird Schule nicht mehr Kaderschmiede sein und deutsche Staatsbürger erziehen im Auftrag ihrer feigen (Bildungs-)Bürger-Eltern. Erst dann kann man mich (vielleicht) für ein G9-Abi begeistern. Bis da hin halte ich es nur für Zeitverschwendung. Aber von mir aus: Peace!

  • Sorry, aber etwas mehr Recherche und Rechenkünste hätte ich einem/r Reporter/in schon zugetraut.

    Also Stichtag für die Einschulung in SH ist der 30.06. Wer DAVOR 6 Jahre wird ist in dem Kalenderjahr Schulpflichtig. Bei G8 sind es insgesamt 12 Jahre Schule. Das heißt man wird vor dem 30. Juni im 12. Schuljahr 18 Jahre alt. Wenn man dann zum Wintersemester an die Uni kommt, am 1. Oktober, ist jedes Kind, das nicht vorzeitig auf Wunsch der Eltern eingeschult wurde mindestens 18 Jahre alt.

    Wie jetzt "die Minderjährigen die Unis stürmen", könnte vielleicht der/die Autor/in nochmal erklären.

    Mag es vielleicht sein, dass der/die Autor/in da persönliche Präferenzen fürs G9 hat und ihm/ihr der Schulfrieden in SH Banane ist.

     

    Interessant wäre auch zu wissen ob er/sie G8 oder G9 hat, wenn man sich so die Rechenkünste ansieht.