Kommentar Schuldenkrise: Eine Billion Euro könnte nicht reichen

Ein, zwei Billionen Euro sind fantastische Summen, und trotzdem werden sie nicht genügen. Denn Finanzmärkte sind irrational. Und Investoren nervös bei Garantiegrenzen.

Rund um Athen wohnen 5 Millionen Menschen - aber die allermeisten blieben zu Hause. Nur etwa 70.000 beteiligten sich an den Demonstrationen gegen die Sparpakete. Diese relative Ruhe ist bemerkenswert, müssen die Griechen doch beispiellose Lohnkürzungen hinnehmen.

Die meisten Griechen wissen, dass sich ihr Land ändern muss. Sie erleben ja selbst täglich, dass der Staat nicht funktioniert und die Korruption grassiert. Vor allem aber erleben sie, wie ungerecht die Lasten der Krise verteilt sind. Die vielen überflüssigen Staatsbediensteten mussten zwar Gehaltskürzungen hinnehmen - aber sie sitzen noch immer auf ihren Stellen. In der Privatwirtschaft hingegen haben viele ihren Job verloren.

Die Reformbereitschaft der meisten Griechen ist groß - worauf die EU vertrauen sollte. Es ist jedenfalls sinnlos, den Griechen stets neue Sparrunden aufzuzwingen, die wie Strafaktionen wirken, weil dadurch die Wirtschaft kollabiert. Ein deutlicher Schuldenerlass ist nötig, und es zeugt von Realitätssinn, dass der EU-Gipfel darüber verhandeln will.

Allerdings wird auch ein "Haircut" nicht reichen, da er nur die vergangenen Schulden bereinigt. Die Griechen häufen jedoch schon wieder neue Defizite an, weil ihre Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig ist. Athen wird also noch lange Hilfen benötigen, was nicht so katastrophal ist, wie es klingen mag: Die Wiedervereinigung war für Deutschland mindestens 30-mal so teuer.

Aber Griechenland ist ja nicht das einzige Problem in der Eurozone. Deutlich bedrohlicher ist die Panik an den Finanzmärkten, die Italien und selbst Frankreich in die Pleite treiben könnte, obwohl es wirtschaftlich gesunde Länder sind. Der EU-Gipfel wird daher verhandeln, wie sich die Wirkung des Eurorettungsschirms vergrößern lässt - auf vielleicht eine oder gar zwei Billionen Euro.

Das sind fantastische Summen, und trotzdem werden sie nicht genügen. Denn Finanzmärkte sind irrational. Investoren werden nervös, sobald es eine absolute Garantiegrenze gibt. Und noch nervöser werden sie, wenn darüber 17 Euroländer abstimmen. Andere Staaten wie die USA haben das längst verstanden.

Deswegen ist die US-Notenbank Fed "lender of last resort" und kann in Notfällen unbegrenzt Gelder zur Verfügung stellen. Auch in Europa wird die Panik erst enden, wenn die Europäische Zentralbank unbeschränkt eingreifen kann.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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