Kommentar SPD-Parteitag: In der Defensive
Wenn die SPD beginnt, von einer Rückkehr an die Macht im Bund zu träumen, muss sie aus der Defensive kommen. Davon war auf diesem Parteitag aber wenig zu sehen.
S eit Sonntag hat die SPD zumindest ein Problem weniger. Keiner kann der Partei nach dem ersten Bundesparteitag in der Opposition unterstellen, nicht über Integration zu diskutieren. Eine lange Passage verwendete Parteichef Gabriel in seiner Rede darauf, das Ausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin zu rechtfertigen, darüber gab es eine lange Aussprache.
Doch wohin steuert die SPD in der Integrationspolitik - das bleibt im Dunkeln. Soll das Fördern betont werden, wie es Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit will? Oder das Fordern, wie es sein Neuköllner Kollege Heinz Buschkowsky bevorzugt? Die SPD ist unentschieden. Das Thema ist vor allem eins: unangenehm. Denn die Interessen der Sozialdemokraten schwanken irgendwo zwischen den vielen SPD-Wählern unter den MigrantInnen - und den ebenso vielen Arbeitenden, die durch Migration ihre Jobs bedroht sehen. Beide Gruppen zählen zur Kernklientel. Das Resultat dieser Zwickmühle ist ein Sowohl-als-auch, das als Anfang einer Debatte verkauft wird.
Dieser Parteitag in Berlin hat gezeigt, dass die SPD nicht aus der Defensive kommt. Ob Integration, Rente mit 67 oder das Erstarken der Grünen, die Partei wirkt nervös. Selbst in der Steuerpolitik hat sie nicht den Mumm zu erklären, wie viel Mehreinnahmen sie sich von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes erhofft.
Gordon Repinski ist Inlandsredakteur der taz.
Die SPD hat sich seit der Bundestagswahl erholt, die Umfragen sind besser. Aber ein Jahr nach ihrer Niederlage hat sie noch immer nicht Tritt gefasst, dafür war der Fall vielleicht auch zu tief. Doch wenn die SPD jetzt beginnt, für das Jahr 2013 von einer Rückkehr an die Macht im Bund zu träumen, dann muss sie aus der Defensive kommen. Davon war auf diesem Parteitag aber wenig zu sehen.
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