Kommentar Russlands Teilabzug in Syrien: Mission längst nicht beendet
Ein Teil der russischen Truppen zieht aus Syrien ab. Putin hat einige seiner Ziele erreicht und wird ein wichtiger Player in Nahost bleiben.
T heatralisch verkündigte George W. Bush am 1. Mai 2003 auf dem US-Flugzeugträger „Lincoln“, die Mission im Irak sei erfüllt. Wir wissen längst, dass die Probleme im Zweistromland da erst richtig anfingen.
Sehr ähnlich klang es bei dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, als er nun überraschend den Teilabzug seiner Truppen aus Syrien bekanntgab: Das Ziel des Einsatzes sei „im Großen und Ganzen“ erreicht. Wirklich? Was war denn dieses Ziel genau?
Meist ist dabei immer von Terrorbekämpfung die Rede. Doch wer dabei an den „Islamischen Staat“ denkt oder die konkurrierende Al-Nusra-Front, der irrt. Russische Erfolgsmeldungen reden von der Liquidierung Hunderter, wenn nicht Tausender von Tschetschenen – also von Russlandfeinden in Syrien. Darüberhinaus hat man ganz offensichtlich vor allem gemäßigte syrische Oppositionsgruppen angegriffen.
Kein Wunder. Druck vom syrischen Diktator Baschar al-Assad zu nehmen, war ebenfalls ein wichtiges Ziel. Und das wurde tatsächlich erreicht. Moskau hat dem syrischen Präsidenten geholfen, das von ihm kontrollierte Gebiet auszuweiten und dessen Machtanspruch zu zementieren – auch durch die Ankündigung von Parlamentswahlen. Assad kann nun in einem fiktiven Normalzustand regieren.
Der russische Einsatz diente auch Moskaus ureigenen Interessen: Russland ist durch seine militärische Intervention auf dem Weg zurück in die bereits vergessen geglaubte Rolle eines wichtigen Players in Nahost. Und zwar auch am Verhandlungstisch.
Immerhin hält die brüchige Waffenruhe in Syrien, was ohne das russische Vorgehen kaum denkbar gewesen wäre. Je mehr sich der Fokus auf Verhandlungen richtet, desto mehr wird Putin auch da mitreden. Er denkt gar nicht daran, Syrien ganz zu verlassen. Seit 45 Jahren hat Moskau den kleinen Stützpunkt im Hafen von Tartus, jetzt auch eine Luftwaffenbasis unweit Latakias. Die Mission ist noch längst nicht beendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance