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Kommentar Russlands Rolle in SyrienDas Ende der bisherigen Grenzen

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Russland will in Syrien offenbar einen Rumpfstaat für das Assad-Regime schaffen. Doch dann wird es auch künftig keine Stabilität geben.

Was wollen sie erreichen? Russische Kampfflieger in Syrien. Foto: ap

D ie Kritik an den eskalierten Angriffen russischer Luftstreitkräfte gegen syrische Rebellengruppen im Großraum Aleppo ist wegen der gravierenden Folgen für die Zivilbevölkerung allein aus menschenrechtlicher Sicht völlig berechtigt und notwendig.

Unglaubwürdig ist diese Kritik allerdings aus dem Mund der Regierungen in Riad und Ankara, die ihre Kriege gegen Schiiten im Jemen und Kurden in der Südosttürkei ebenfalls ohne jede Rücksicht auf die Bevölkerung führen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war daher schlecht beraten, als er die Vorwürfe an Moskau zuerst ausgerechnet auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem saudischen Amtskollegen in Riad äußerte.

Die Eskalation der russischen Luftangriffe just zu Beginn der auch deshalb schnell gescheiterten Verhandlungsversuche in Genf haben den syrischen Regierungstruppen nicht nur im nordsyrischen Aleppo strategisch bedeutsame Geländegewinne ermöglicht, sondern auch bei der noch von Rebellen gehaltenen Stadt Dara in der südwestlichen Grenzregion zum Libanon.

Das nährt den Verdacht, dass Moskau nicht (mehr) auf den Erhalt Syriens in seinen bisherigen Grenzen setzt, sondern auf die Schaffung eines Rumpfstaats im Westen. Dazu würden mit Aleppo, Idlib, Mama, Homs, Damaskus und Dara fast alle größeren Städte des Landes gehören. Zwecks Sicherung dieses Rumpfstaats würden starke militärische Kräfte Russlands auf den Marine- und Luftwaffenstützpunkten in Tartus und bei Latakia stationiert.

Die übrigen drei Viertel des syrischen Territoriums blieben dann dem „Islamischen Staat“, dem Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front und anderen zum Teil bislang von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei gesponserten islamistischen Rebellen- und Terrorgruppen überlassen. Nicht auszuschließen, dass sich die USA und ihre westlichen Verbündeten bei einem weiteren Scheitern des Verhandlungsansatzes eines Tages auf dieses Szenario einlassen.

Doch mit einem solchen Szenario ließe sich keine „Stabilität“ in der Region schaffen. Siehe die gescheiterten Besatzungen der beiden Militärweltmächte Sowjetunion und USA in Afghanistan und im Irak. Zudem würden der IS und die islamistisch-salafistischen Rebellengruppen sich kaum an die Teilungsgrenzen halten.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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7 Kommentare

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  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Russland will seine Waffen an unschuldiger Menschen austesten, die selben Menschen auf den Weg in die Türkei und Europa zwingen (Rache für Flugzeugabstürz und Sanktionen).

    Die werden das ernten was die säen.

  • Wo bleibt der Massenprotest gegen Putins und Assads Massenmord?

    • @nzuli sana:

      Wo bleibt der Massenprotest gegen den Massenmord?

  • Putin will seinen Machtbereich verteidigen bzw. erweitern. Dafür ist ihm erst einmal eine stabile Basis im Westen Syriens wichtig. Ob er mit Assad wieder ganz Syrien kontrollieren wird, hängt davon ab, was ihn das kostet. Wenn er das militärisch einfach erreichen kann, wird er das auch tun. Putin hat ein Interesse an einer Stabilität in Syrien unter seiner Kontrolle. Putin hat kein Interesse an einem Flickenteppich an Einflussgebieten in Syrien und hat sich daher auf den Westen des Landes konzentriert. Putin hat weder Interesse daran Assad zu stützen, noch die Menschenrechte zu verteidigen. Daher liegt es am Westen und dem Rest der Welt, ihn zum Achten der Menschenrechte zu motivieren und ihn dazu zu bringen, Assad fallen zu lassen. Wenn der Westen, Saudi Arabien sowie die Türkei ihre Machtinteressen zurückstellen würden gegen ein Fallenlassen von Assad sowie der Wahrung der Menschenrechte, wäre das für Putin ein Angebot, was er nicht ausschlagen könnte.

    Solange es Saudi Arabien, der Türkei und auch den USA aber nicht um Frieden und Menschenrechte sondern um ihren militärischen Einfluss geht, wird das leider nicht passieren.

    Die Verhandlungen sind nicht von Russland oder Assad abgebrochen worden. Vielmehr wurden die Waffenstillstandsverhandlungen abgebrochen, da die Kämpfe gleichzeitig eskalierten. Aber müssen wir während des Kämpfens nicht erst recht verhandeln? Wir können doch nicht als Vorbedingung für einen Waffenstillstand das Einstellen der Kämpfe verlangen?

  • Es ist noch etwas komplexer. Der Autor vergaß die von den Kurden bewohnten und beherrschten Gebiete. Diese würden, als Kern eines (potentiell) vereinten Kurdistan, von der Türkei bekämpft werden.

  • Warum sollte Putin irgendein Interesse an Stabilität haben? Er hat bereits wiederholt klar gemacht, daß seine Interessen woanders liegen: Er will, daß Rußland als relevanter Faktor in der Weltpolitik, ja mehr noch als Supermacht in Erscheinung tritt. Konflikte am Leben zu erhalten, und damit zu demonstrieren, daß man sie nicht gegen Moskaus Willen lösen kann, das paßt hervorragend in Putins Konzeption. Entsprechend verhindert Moskau auch seit langem jeden Fortschritt in den "eingefrorenen" Konflikten entlang Rußlands Peripherie: Nagorny-Karabach, Südossetien, Abchasien, Krim, Donbass. Jetzt kommt wohl auch Syrien zu dieser Liste hinzu. Was die Menschen in diesen Ŕegionen erleiden müssen, ist Putin egal, wichtig ist him, daß er seine eigene Relevanz demonstriert, mit allen Mitteln, also auch, in dem er eine friedliche Lösung verhindert, und dadurch demonstriert, daß er mächtig genug ist, eine friedliche Lösung zu verhindern.

  • 7G
    77920 (Profil gelöscht)

    Die Logig leuchtet mir nicht ein, weil die SAA mit Unterstützung der Russian Air Force im Süden und Norden militärische Siege erlagt, wollen die russisch, syrischen Strategen einen Rumpfstaat errichten? Wie lautet den das Argument für diese Behauptung? Das Hauptaugenmerk der SAA liegt derzeit im Kampf gegen die noch direkt vom Westen gesponserten Terroristen/Freiheitskämpfer. Diese sind aus militärstrategischer Perspektive für dem syrischen Staat/Regime weitaus gefährlicher als die Truppen des IS. Aber es gibt auch im Osten Aleppos die Bemühung sich an das Gebiet der YPG heranzukämpfen und so den Nachschub der IS Freiheitskämpfer über die Türkei zu unterbinden, sprich den IS zu besiegen.