Kommentar Rückkauf der Roten Flora: Attacke auf Attacke
Der Hamburger Senat will die Rote Flora zurückkaufen. Eigentümer Kretschmer spricht von einer Kriegserklärung – und holt sich mächtigen Beistand.
D er Vorstoß des Hamburger SPD-Senats, im Konflikt um die Rote Flora dem Eigentümer Klausmartin Kretschmer die Pistole auf die Brust zu setzen – verkaufe an uns oder wir erklären Dich zum Feind – zeigt Handlungswillen. Der Vorstoß kommt nicht überraschend: In gut einem Jahr sind die nächsten Wahlen in Hamburg. Die Frage ist jedoch, ob der Zug nicht längst abgefahren ist – und auf einen Crash zusteuert.
Kretschmer hatte 2001 die besetzte Immobilie dem rot-grünen Senat zum Schnäppchenpreis von 370.000 D-Mark abgekauft, damit der Rechtspopulist Ronald Schill und der CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust in Sachen Innere Sicherheit keine Wahlkampfmunition mehr hatten. Dass Kretschmer die Immobilie kaufte, war für die Sozis ein echter Freundschaftsdienst.
Im Gegenzug hatten die Genossen dem Event-Investor bei seinen Phantasien von einem Künstler-Quartier in der Oberhafencity wohlwollend Zustimmung signalisiert. Sicher hat Kretschmer insgeheim auch darauf spekuliert, irgendwann die Immobilie gewinnbringend verhökern zu können, wenn sich das autonome Projekt auflösen sollte.
Doch das ist nicht eingetreten: Die Flora gedeiht weiter und Kretschmers Oberhafencity-Pläne haben sich verflüchtigt und seine Immobilien waren belastet. Kretschmer war Anfang 2013 sozusagen pleite.
Doch jetzt hat Kretschmer mit dem Immobilienberater Gert Baer einen Global Player an der Seite, der sagt, dass Kretschmer mit einer US-Investmentfirma einen „interessanten und flexiblen Partner“ gefunden habe, auch Großprojekte auf dem Areal zu realisieren.
Im Klartext: Im Hintergrund mischen inzwischen Kräfte mit, die bei Immobilien-Spekulationen mit allem, was ihnen im Wege steht, nicht zimperlich umgehen. Es geht nicht mehr um fünf Millionen Euro Verkaufserlös, sondern um das Vielfache. Die Rotfloristen – nun aber auch der SPD-Senat – wären daher gut beraten, sich auf weitere unkonventionelle Attacken von Kretschmer, Baer & Co einzustellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind