Kommentar Rote Flora in Hamburg: Populismusanfälle in Nord und Süd
Man könnte lachen über die jüngsten Attacken von CDU und CSU auf die Rote Flora – wenn es an anderer Stelle nicht so ernst wäre.
Es könnte fast lustig sein: Der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ein 1.000-teiliges Puzzle der Roten Flora geschenkt. Auf dem Puzzlebild steht Trepoll mit einem Schild vor dem Stadtteilzentrum, darauf steht „Jetzt abstimmen“. „Möge es ihm als freundliche Erinnerung an seine Ankündigungen in Richtung Roter Flora dienen“, schrieb Trepoll auf Facebook. Man muss das weder witzig noch originell finden, aber wenn die Herren im Rathaus Spaß haben, bitte schön.
Auch die Forderung der CSU, die Flora dichtzumachen, könnte man belächeln. Dass die bayrische Landesgruppe die Parteispitzen bei ihren Sondierungsverhandlungen damit behelligt, ist durchschaubarer Populismus. Es zeigt, dass die CSU nicht mitkriegt oder es ihr egal ist, auf welchem Stand die Debatte ist.
Innensenator Andy Grote (SPD) hatte im November gesagt, Hamburg brauche selbstverwaltete Räume. Im Dezember nahm Polizeipräsident Ralf Meyer das Kulturzentrum aus der Schusslinie und sagte, es habe „keine aktive Rolle“ bei den G20-Protesten gespielt.
Wie gesagt, man könnte über den Populismusanfall und das infantile Puzzlegeschenk lachen – wenn es nicht so ernst wäre. Wenn nicht eine Öffentlichkeitsfahndung gegen Aktivist*innen liefe, bei der die Gesichter von teils minderjährigen Demonstrant*innen auf U-Bahn-Bildschirmen gezeigt werden. Wenn nicht ein 19-Jähriger vor Gericht stünde, der wohl nichts getan hat, außer an einer unangemeldeten Demo teilzunehmen. Wenn es nicht Hausdurchsuchungen in Privatwohnungen gegeben hätte – alles, um Stimmung gegen Linke zu machen.
Wer so etwas verantwortet, braucht nicht zu heulen, wenn die AfD in einen Landkreis nach dem anderen einzieht und sich im Bundestag breitmacht. Während sich so mancher Unionspolitiker wahrscheinlich heimlich auf eine Koalition mit Rechtsaußen freut, könnten SPD und Grüne sich mal Gedanken machen, ob sie weiter Öl ins rechtspopulistische Feuer gießen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?