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Kommentar Rot-Rot-Grün im BundGabriel, der gereizte Magen der SPD

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Rot-Rot-Grün wird das Ergebnis der Berlinwahl sein. Der Hauptstadt wird das guttun. Selbiges würde für den Bund gelten, gäbe es da nicht ein Problem.

Zu viel Wut im Bauch: Sigmar Gabriel Foto: dpa

I n Berlin wird aus Zitronen Limonade. Bitter: 25 AfD-Abgeordnete sitzen im Parlament, eine meckernde Mischung aus Retros und Rassisten. Auch bitter: Das linke Lager im weiteren Sinne – SPD, Grüne, Linke und Piraten – hatte 2011 zwei Drittel der Stimmen. Jetzt sind es nur noch 52 Prozent. Die Hauptstadt ist nach rechts gerückt.

Doch der Aufstieg der AfD hat auch die CDU geschwächt, die so viele Wählerinnen und Wähler an die Rechtspopulisten verliert wie keine andere Partei. Eine linke Regierung, genannt R2G, wird das Ergebnis sein. Auf lange Sicht führt das zu einer neuen, einer wohltuenden Polarisierung. Rot-Rot-Grün wird heftige Kontroversen mit Union und FDP austragen, was den Rechtspopulisten schadet.

Denn es ist eben nicht so, dass gegen die AfD der Zusammenhalt der etablierten Parteien hilft. Wenn die einzige Konfliktlinie zwischen den Rechten und allen anderen verläuft, erzeugt das maximale Aufmerksamkeit für die AfD, erst dann bekommt sie Gewicht. Das Berlin-Paradox: Aus AfD wird R2G – und R2G schadet der AfD. Das ist der limonadensüße Geschmack am Berliner Ergebnis.

Und der Bund? Für Rot-Rot-Grün spricht aus Sicht der Linkspartei, dass sie sich als Sammelbecken für Protest verbraucht hat. Die SPD ist auf die Option angewiesen, weil ihr sonst nichts bleibt. Unter Merkel würde sie noch mehr verzwergen. Eine Ampelkoalition wird an der FDP scheitern, die sich nach einer Rückkehr in den Bundestag erst als Oppositionspartei stabilisieren will.

Eine Phase der Gereiztheit

Zählt man die heutigen Umfragewerte von SPD, Linken und Grünen zusammen, kommt dabei keine Mehrheit heraus. Schuld ist die chronische Schwäche der SPD mit ihrem Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Er ist das Problem.

Die Republik durchläuft gerade eine Phase der Gereiztheit. Der Fokus liegt auf Globalisierung, Flucht, Terror und Krieg. Angela Merkel ist von ihren rechten Gegnern erfolgreich umetikettiert worden: von der Beruhigerin zur Chaotin. Aber Gabriel, dieser gereizte Magen der SPD? Wie soll die Partei in dieser Zeit der großen Nervosität zulegen, mit einem Mann, der nicht zum Ruhepol taugt?

Inhaltlich ist Rot-Rot-Grün im Bund vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik schwierig. Die Frage, wie sich Deutschland gegenüber Russland oder Israel verhält, würde für Ärger sorgen. Ihre ablehnende Haltung zur Nato hat die Linke zwar inzwischen in flexible Formulierungen überführt. Aber sie lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr, die integraler Bestandteil der Politik von SPD und Grünen geworden sind, nach wie vor strikt ab. Hier passen die Positionen von Rot-Grün und Dunkelrot so gut zusammen wie Nitro und Glyzerin.

Wer jedoch mit Nitro und Glyzerin hantieren will, braucht eine ruhige Hand. Und die soll Sigmar Gabriel haben? In Thüringen musste sich Bodo Ramelow die Wut aus dem Bauch coachen lassen, damit sein rot-rot-grünes Bündnis überlebt; jetzt regiert der einstige Gefühlspolitiker mit Akribie und Disziplin. Berlin hat in Michael Müller einen Mann, der zu seiner Langeweile steht; die ideale Voraussetzung für eine Drei-Parteien-Regierung mit ihren Geltungssüchten. Für den Bund hätte die SPD auch so einen: Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist ein kühler Machtmechaniker. In überhitzten Zeiten ist Kühle ein Plus. Und einer dreifarbigen Regierungsoption mangelt es an Buntheit nicht. Ihr Kopf kann grau sein.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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25 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich finde es erstaunlich, wieviel Prozent die SPD bei dieser Wahl erhalten hat. Und das meine ich auch überhaupt nicht ironisch angesichts der Tatsache, dass die Wähler gesamtdeutsche Probleme/Stimmungslagen auch bei Landtags- oder Kommunalwahlen mit in die Wahlkabine nehmen.

    Den Zwerg SPD wird man bald mit dem Mikroskop zu Leibe rücken müssen, wenn man ihn noch erkennen will.

  • Nein, nein - der Scholz muss unbedingt in Hamburg bleiben. Der geht in Berlin ja ein wie 'ne Primel, wenn er mal einen Tag lang nicht ordentlich gewässert wurde. Currywurst war gestern schon.

    SPD = Größe x Breite so lautet heute die Formel mit den drei Unbekannten. An Sigmar Gabriel, dem letzten deutschen Global Player, geht doch jetzt mit Ceta auf dem Tisch und TTIP im Ärmel gar kein Weg mehr vorbei - es sei denn, er würde sich im letzten Moment noch schnell hintern Zug schmeißen und daran darf man ja wohl nicht einmal denken (;-))

  • Wann kommt Sarrazins neuer Schinken "Warum dieAfD die bessere SPD ist" auf den Markt?

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Erst kommt noch der Heimat-Knüller: "Die AfD - ein braunes Volk, das sich nie ganz abschaffte."

      • @Rainer B.:

        Mit einem Vorwort von Oma Haverbeck.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Mit einem Hochglanz-Foto von S. und H. unter der Wirmer-Flagge. Überschrift: "Der letzte deutsche Widerstand"

  • "Unter Merkel würde sie noch mehr verzwergen."

     

    Die Verzwergung der SPD ist seit langem hausgemacht - mit einer konsequenten Anpassung weniger an Merkel als vielmehr an den Neoliberalismus.

  • Warum fantasieren eigentlich alle nach der Wahl in Berlin von Rot-Rot-Grün im Bund?

     

    Nach der Wahl in BaWü wurde der Wunsch nach Schwarz-Grün geäußert.

     

    Was kommt demnächst? Wieder Schwarz-Gelb? Oder Schwarz-Grün-Gelb?

  • "Auslandseinsätze der Bundeswehr, die integraler Bestandteil der Politik von SPD und Grünen "

     

    Bei einem Rest Vernunft müssten auch Grüne und SPDler einsehen, dass die Interventionspolitik grandios gescheitert ist. RGG nur, wenn der Einsatz in Afghanistan fortgesetzt wird? Absurd.

    • @A. Müllermilch:

      Jop - hätten wir damals schön auf Pazifismus gesetzt hätten wir heute nicht die Aufgabe den Kosovo zu stabilisieren.

       

      Wir sind aber so unvernünftig und interessieren uns dafür wenn einer 8000 Moslems an die Wand stellt und abknallt.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        ....und knallen dann ihn und seine Freunde ab. Und 20 Jahre später heißt es: "Hm... haben wir vielleicht damals doch die Guten bekämpft..."

         

        Überhaupt stabilisieren "wir" nicht, wir konservieren eher - den Zustand, der für "uns" am nützlichsten ist.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Holländische Interventionstruppen sind nicht völlig unschuldig an der Ermordung von 8000 Moslems. Vielleicht hätte man Jugoslawien erst gar nicht nicht destabilisieren sollen.

         

        Haben wir die Aufgabe, den Kosovo zu stabilisieren? Oder müssen das die Skipetaren selbst bewerkstelligen?

         

        Lehre für Afghanistan? Auseinandersetzung zwischen westlichen Werten und den Werten archaischer Stammeskrieger. Woher nimmt der Westen das Recht, anderen Völkern seine Lebensweise aufzuoktruieren? Die Afghanen haben ein Recht auf Selbstbestimmung - auch wenn das, was dabei rauskommt, westlichen Werten nicht entspricht.

         

        Fremde Völker zu missionieren funktioniert einfach nicht.

         

        Fremde Völker müssen ihre Konflikte - ohne Einmischung eines höhergestellten westlichen Schiedsrichters - selbst austragen.

  • Der Optimismus des Herrn Löwisch kann kaum nachvollzogen werden. Drei Parteien, die jeweils auf Augenhöhe eine Koalition bilden wollen werden zunächst untereinander miteinander heftige Kontroversen führen. Vollkommen zurecht hat Herr Müller Bedenken hinsichtlich der Regierungsbildung angemeldet.

  • Eine RRG Koalition ist eine Sache, die SPD eine andere. Mag ja sein, dass Herr Scholz für eine Koalition ganz ok wäre. Doch die SPD braucht an der Spitze endlich mal wieder jemanden mit sozialen Emotionen, Leute wie Wehner oder Brandt eben. Meinen sie ein Technokrat kann Wähler gewinnen? Wohl kaum, da er nur den Kopf erreicht und nicht den Bauch.

    • @chinamen:

      "....Leute wie Wehner oder Brandt eben."

       

      Die gibt´s nicht mehr. Wenn es dem Stimmenfang diente, gäbe es höchstens einen Brandt-Wehner-Darsteller, der sich nach der Wahl als Schröder-Klon entpuppt.

  • "Hier passen die Positionen von Rot-Grün und Dunkelrot so gut zusammen wie Nitro und Glyzerin."

     

    Nitro und Glyzerin ergeben eine sehr wirkungsvolle Substanz, die in der Lage ist, Verkrustungen im Denken und Handeln aufzubrechen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Aber wenn man die Substanz zu stark erschüttert macht sie Alles kaputt...

  • Vielleicht ist Sigmar Gabriel gekauft worden, vielleicht wird er auch nur erpresst - was ich aber nicht verstehe, ist, warum sich die Sozialdemokraten das gefallen lassen. Sie sind doch nicht einfach so in die Partei eingetreten, sie wollten doch mal etwas. Und jetzt werden sie auf eine Reise geschickt von Sachzwang zu Sachzwang.

    • @mamü:

      "... warum sich die Sozialdemokraten das gefallen lassen." =

       

      Seit mehr als 100 Jahren, seit 1914, lassen sich die sozialdemokratischen Basis-Mitglieder "das Gefallen"! Damals stimmte die SPD-Führung für die Finanzierung - und den imperialistischen Krieg!

       

      Nach dem I.WK führte die rechte Noske+Ebert Parteiführung den Bürgerkrieg fürs Kapital und das Schlachten der deutschen Arbeiterklasse!

       

      Die damaligen rechten SPD-Führer waren mitverantwortlich für den Sieg der kapitalfaschistischen NSDAP 1933!

       

      Nach 1945 setzten die rechten SPD-Führer ihre Politik des Verrats an der deutschen Arbeiterklasse fort. 1956 folgte das Verbot der antifaschistischen KPD und 1972 unter Federführung des rechten Willy Brandt die flächendeckende Durchführung der politischen Berufsverbote für Humanisten, Kriegsgegner, Kommunisten und Antifaschisten in Deutschland - bis heute!

  • Sigmar Gabriel, Olaf Scholz? Beide stehen für einen neoliberalen Kurs der SPD. Mit denen soll DIE LINKE regieren? Das wäre politischer Selbstmord! Herr Gabriel soll gegen Frau Wagenknecht antreten, mal schauen, wie danach die Mehrheitsverhältnisse aussehen. Wahrscheinlich muss es im Bund erst soweit kommen, wie in Thüringen.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Rot-Rot-Grün wird heftige Kontroversen mit Union und FDP austragen, was den Rechtspopulisten schadet... Wenn die einzige Konfliktlinie zwischen den Rechten und allen anderen verläuft, erzeugt das maximale Aufmerksamkeit für die AfD, erst dann bekommt sie Gewicht."

     

    Es geht doch nicht um Kontroversen und Konfliktlinien. Die Inzenierung der Debatten ist zweitrangig. Es geht um die Ergebnisse. Politik ist doch keine Aufführung bei der das Ende der Geschichte zweitrangig ist so lange nur die Qualität der Inzenierung stimmt. Eben diese Art des Politklamauks führte zuletzt in den Brexit und zur Erstarken der Rechten in ganz Europa.

     

    Der Berliner Wahlkampf war sehr viel mehr von Landesthemen geprägt als die letzten Wahlkämpfe in den Flächenländern. Der "Erfolg" der FDP spricht hier doch Bände. R2G wird die Berliner Probleme lösen müssen. Regiert R2G erst einmal fallen die in den jetztigen 52% steckenden Proteststimmen erst einmal auch noch weg. Zugewinne gibts es dann wohl nur noch bei erfolgreicher Politik. Sicher spielte die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin mit in den Wahlkampf hinein, aber bis zur nächsten Wahl dürfte das kalter Kaffee sein. Wenn R2G keine Eintagsfliege sein will sollten bis dahin doch einige Probleme des heutigen Berlins Geschichte sein.

     

    R2G wird in Berlin liefern müssen, das blose zelebrieren von Lagerkämpfen wird jedenfalls nicht reichen um aus dem "50%-Tief" herauszukommen, im Gegenteil...

  • Ich bin -als Hamburgerin- auch absolut dafür, dass Olaf Scholz für die SPD den Kanzlerkandidaten gibt. Das hätte zwei gewaltige Vorteile: Erstens wären wir Hamburger/innen diesen bräsigen kleinen Machttaktiker endlich los und zweitens könnte er nach der zweifellosen Wahlniederlage der SPD bei der Bundestagswahl in der geschrumpften großen Koalition unter Angie das Amt des Verkehrsministers einnehmen und dort keinen weiteren Schaden anrichten.

  • Die FDP würde die Ampel machen um Rot-Rot-Grün zu verhindern.

  • Nach der heutigen Entscheidung der SPD-Führer für CETA dürfte es wohl kaum zu ein Rosarot-Rot-Grün im Bund kommen. Ebenso wenig zu ein Rosarot-Rot-Grün in Berlin, dafür dürfte schon der SPD-Bundesvorstand [vor-]sorgen.

     

    Grün und Rot [Die Linke] sollten sich gemeinsam der Kapital- und BDI-Wirtschaftspolitik -auch in Berlin- verweigern!

    • @Reinhold Schramm:

      Kommen Ihnen die Grünen tatsächlich wie eine Partei der Kapital(ismus)kritik vor?