Kommentar Rohingya in Birma: Das Schweigen der Suu Kyi
Das Militär hat 90.000 muslimische Rohingya aus Birma verjagt. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi schweigt – ein folgenschwerer Fehler.
L etzte Nacht habe ich von Aung San Suu Kyi geträumt. Die Friedensnobelpreisträgerin und De-facto-Regierungschefin saß gefesselt und geknebelt in einem abgedichteten Raum. Ab und an lassen Birmas Generäle sie vor die Tür, schubsen sie auf eine Bühne, wo sie weiter eisern ihren Diskurs von Freiheit und Demokratie hält, ohne irgendetwas Konkretes zu Protokoll zu geben.
Freiheit, Menschenrechte und Demokratie? Für wen eigentlich? Das Militär hat 90.000 muslimische Rohingya, für die meisten Birmesen sind sie illegale Einwanderer aus Bangladesch, nach einem Angriff einer selbst ernannten Rohingya-Befreiungsarmee aus Birma verjagt. Menschenrechtler befürchten das Schlimmste.
Die internationale Gemeinschaft hat sich einst eingesetzt, Birma auf die Seite der Guten zu ziehen, zu den demokratischen Ländern dieser Erde. Weder Aung San Suu Kyi noch ihr Volk scheinen gewusst zu haben, worauf sie sich damit eingelassen haben. Empört verbittet man sich internationale Kritik an dem unmenschlichen Umgang der Birmesen mit den Rohingya mit einem Selbstverständnis, das den Puls höher schlagen lässt.
Reagiert hat inzwischen die BBC. Weil die Regierung versucht hat, ihr Programm zu zensieren, hat sie einen Deal mit einem Staatssender platzen lassen. Übrigens war es die BBC, die Aung San Suu Kyi während fast 15 Jahren Hausarrest über das Weltgeschehen (und die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für ihre Partei) informierte.
Vielleicht ist mein Traum gar nicht so unrealistisch. Suu Kyi hat verfassungsgemäß keinerlei Kontrolle über das Militär. So gesehen ist sie also nach wie vor in der Hand des Militärs.
Vielen ehemaligen Weggefährten, wäre das wahrscheinlich lieber. Sie haben die „Lady“, deren Kampf für Demokratie einst vor allem aus stoischem Ausharren bestand, zu einer Ikone stilisiert. Suu Kyi harrt schon wieder einfach nur aus. Kann sein, dass es dieses Mal ein Fehler ist, an den wir uns noch lange erinnern werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe