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Kommentar RichterbesoldungWenn Richter über Richter richten

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Es ist eine Gefahr für den Rechtsstaat, wenn sich die Justiz finanziell im Abseits sieht. Aber Richter, die nur aufs Geld schielen, sind auch nicht gut.

Wahrscheinlich entscheidet am Ende das Parlament über den Sold. Bild: dpa

R iecht das nicht nach gruppenbezogener Selbstbedienung? Wenn Richter finden, dass sie viel zu wenig verdienen, dann reichen sie eine Klage ein. Am Ende entscheiden Verfassungsrichter (von denen viele vor ihrem Ruf nach Karlsruhe auch Richter waren), ob die Klage der Richter berechtigt war. Aus der Sicht anderer Berufsgruppen klingt das wohl wirklich nach einem bequemen Modell. Aber so einfach ist es nicht.

Die meisten anderen Berufsgruppen können streiken, Richter nicht. Normale Beschäftigte können mit ihrem Chef über die Höhe des Gehalts verhandeln, Richter können das nicht. Wie Beamte haben sie nur einen Anspruch auf „angemessenen“ Lebensunterhalt. Und was das ist, darüber kann man lange streiten. Von der Politik in den Ländern fühlen sich die Richter jedenfalls im Stich gelassen, deshalb ist der Weg nach Karlsruhe ihre letzte Hoffnung. Am gestrigen Mittwoch verhandelte das Bundesverfassungsgericht.

Die Argumente der klagenden Richter sind aber nur teilweise überzeugend. Die Sorge, dass künftig die besten Jura-Absolventen nicht mehr Richter werden wollen, sondern als Anwälte zu Großkanzleien gehen, sind alt und längst widerlegt. Natürlich wirkt ein Einstiegsgehalt von 100.000 Euro bei einer Lawfirm deutlich attraktiver als die derzeitige Richter-Einstiegsbesoldung von im Schnitt 41.000 Euro. Das wäre aber auch nicht anders, wenn Jungrichter 10.000 Euro mehr bekämen.

Es ist ja vielleicht nicht verkehrt, dass eher diejenigen Richter werden, die nicht nur aufs Geld schauen und denen etwas an diesem Beruf und am Gemeinwohl liegt. Und es macht das Richteramt auch nicht zum „zweitrangigen Beruf“ (wie gestern in Karlsruhe zu hören war), wenn nun dort besonders viele Frauen in Teilzeit arbeiten - weil es eben möglich ist. Vielleicht tut ein hoher Frauenanteil der Justiz sogar gut und hebt ihr Ansehen.

Karlsruhes Lösung ist vernünftig

Gefährlicher ist es, wenn sich die Richter von der allgemeinen Lohnentwicklung völlig abgekoppelt fühlen. Manche in Karlsruhe vorgelegte Statistik ging von bis zu 40 Prozent relativem Verlust gegenüber der normalen Kaufkraft-Entwicklung der letzten Jahrzehnte aus. Es kann aber nicht gut sein, wenn Richter den Eindruck haben, die Politik kümmere sich nicht um ihre Interessen und nutze sie aus. Dazu ist die Aufgabe der Richter zu verantwortungsvoll, egal ob sie Menschen hinter Gitter bringen, über Hartz IV-Klagen entscheiden oder über eine Mietminderung.

Allerdings sind Statistiken nie so objektiv, wie sie aussehen. Deshalb ist die Lösung, die sich in Karlsruhe andeutet, vernünftig. Die Verfassungsrichter wollen Parameter definieren, ab wann eine Abkoppelung der Richter von allgemeinen Lohn- und Preisentwicklungen naheliegt. Der Gesetzgeber müsste dann begründen, warum die Bezahlung der Richter dennoch angemessen ist. Das Verfassungsgericht wird die Klage der Richter aber nicht einfach abnicken. Zum einen nicht, weil auch in Karlsruhe jeder weiß, dass es heikel ist, wenn Richter über Richter richten. Das letzte Wort werden also auch künftig die Parlamente haben.

Vor allem aber werden die Verfassungsrichter auch an die Schuldenbremse denken, die ursprünglich eine Karlsruher Erfindung war. Würden die 20.000 Richter und 5.000 Staatsanwälte sofort mehr Geld bekommen, dann wäre das vielleicht noch finanzierbar, aber die neuen Regeln würden auch für 1,7 Millionen Beamte gelten, von denen viele ebenfalls finden, dass sie verfassungswidrig niedrig bezahlt werden.

Und wenn es um die Zufriedenheit der Richter geht, ist Besoldung ja auch nicht alles. Eine demokratischere Struktur der Justiz, transparentere Geschäftsverteilung in den Gerichten und eine gelegentliche Renovierung mancher Gebäude würden auch das justizielle Wohlbefinden verbessern. Eine Erhöhung der Richterzahl, um die teilweise „Fließbandarbeit“ zu verringern, fänden viele sicher auch gut, aber da wären wir schon wieder beim Geld.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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13 Kommentare

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  • Sorry - young man -

     

    aber lesen Sie selbst -

     

    @Age Krüger

    "…Die Dame wird dort einfach das erste Mal in ihrem Leben mit Armut konfrontiert. Das ist das Leben in der BRD seit rotgrün."

     

    Ja - und von Peter Teufel im Einzelnen

    belegt vorgerechnet -

    Wie seit Bestehen der BRD -

    zunehmend über systemwidrige

    Fremdentnahmen die Rentenkassen

    um 1000Milliarden ausgeplündert worden sind -

    und das Rentenniveau bei heute

    knapp über 40% liegt;

    während Pensionen et al - trotz Schleifung der Doppelversorgung in den 70ern - bei gut über 70% liegen.

     

    Und es ging zunächst anders -

    Am Beispiel meines Vaters -

    seit den 20ern als Angestellter geklebt;

    nach WK II mit Klitsche als Selbständiger;

    trotz

    Schwarzer Freitag/WK II

    &Währungsreform

    hatte er mit SchwbRente meiner

    Mutter mehr Rente als ich aktive Bezüge;

    und das ging seiner Generation durchweg ähnlich!

    Die Betrüger sitzen/saßen in den Regierungen.

     

    Sie müssen nicht jeden ex-Richter

    für bescheuert halten /

    &soviel Arroganz sei hier mal erlaubt -

    besser ich hab den Job gemacht -

    also so manch anderer;•)

  • ff

     

    Apercu? - gerne -

    Meine 12jährige Tochter - deren Mutter als Chirurgin kurz vor sieben aus dem Haus schoß und gegen 17 Uhr wieder anlandete & 5 Nachdienste -

    verkündete -

    "du arbeitest ja gar nicht richtig" -

     

    Heute - selber Kliniksärztin -

    "scheiße - heute begreif ich - was du für ein harter Job gemacht hast -"

    Sie sehen - die einen sagen so - die andern sagen so;-)

    Nunja - die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen;)

    (aber ich sach mal - ala long über das Schicksal von Menschen in Asyl aus ihnen weitgehend unbekannten Ländern entscheiden, die sie für eine Stunde plus zu Gesicht bekommen - leicht ist das für niemanden.)

     

    &nochens - daß ich priviligiert bin - brauchen Sie mir nicht zu erzählen -

    aber das hat viele Gründe - die vor allem in dem liegen,

    was Bourdieu

    Bildungskapital genannt hat -

    und daß das -

    neben dem pekuniären Reichtum -

    so ungleich mit steigender Tendenz verteilt ist in dieser Republik -

    das ist der eigentliche Skandal).

  • @Georg Schmidt

     

    Ok -

     

    1.Richter sind - aus gutem Grund,

    weil sie nämlich nicht der Exekutive angehören -

    keine Beamte - & z.B. deswegen nicht weisungsgebunden -

    kurz - ihre Unabhängigkeit ist von verfassungswegen garantiert;

    (insbesondere die braune Geschichte ´schlands sollte dafür Begründung genug sein).

     

    2.Mit meiner Besoldung ab 1978 war ich nie unzufrieden, fand sie - ok.

    (Bei Bertelsmann - hab ich das Doppelte gefordert -> akzeptiert;

    aber beim Reichsdrückerkolonnen-

    Gefolgschaftsführer Reinhard Mohn wollt ich denn doch nicht arbeiten);

    auch ein Stück Glück gehabt - ja.

     

    3.Ab den ca 10 -15 Jahren jüngeren Kollegen aber sind erhebliche kürzende Eingriffe in die Besoldung vorgenommen worden,

    die sich auch nachhaltig auf die zu erwartende Versorgung auswirken.

    (das ist m.E. der eigentliche Aufhänger - &das halte ich aus den obigen Gründen nicht für akzeptabel.)

     

    4.Bin ich wie in Italien für eine Einheitsbesoldung bei den Richtern

    (wie ein italienischer Kolleg launig erzählte - der Präsident des Kassationshofs - "na die letzten zehn Jahre mach ich wieder Amtsrichter in Palermo;-)"

    - ja - da fiel den ministerialentsandten

    Herren OLG-Richtern ob dessen aber

    das Gebiß raus;-))

     

    5.Der gerechte Lohn - ist bisher nicht gefunden worden;

    insoweit haben Sie recht - ist meine Argumentation systemimmanent;

    hat aber mit Imagepflege nix zu tun;

    wenn sie da eine praktikable Lösung wissen - her damit.

     

    ff folgt

    • @Lowandorder:

      intressant ist immer wieder, wie sich privlegierte Staatsdiener selber darstellen, da sagte ein Ex Richter und ehe BP: wir sind die tragende Schicht im Volk ! dazu brauchts keinen Kommentar! zur Altersversorgung: ich bin schon immer für eine Volksrente , grob gesagt: jeder/ zahlt einen Betrag in eine Rentenkasse, ob BP,BK; Richter, Arbeiter; Manager, die "REnte" ist ausreichend um ein normales Leben im Alter zu führen, wer eine bessere Altersversorgung möchte , kann ja selbst vorsorgen, was nun die Einkommenseinschnitte betriffft: wir wurden ( mit Zustimmung der BR, pauschaliert, der reale Einkommensverlust betrug c 13%, zudem vielen alle sozialen Komponenten weg, Familienheinfahrten, Wäschetag usw, aber wer beachtet schon, wenn sowas in der "doch überbezahlten "Privatindustrie passiert !

  • es wird so werden, wie mit den Diäten, auch hier bestimmen die Betroffenen über ihr eigenes Einkommen, und immer diese Mär von der freien Wirtschaft, das Jammern der Beamtenschaft ist unüberhörbar !

  • ff

     

    Die Gleichheit der Gewalten

    (abweichend von noch Montesquieu)

    haben die Richter Portugals veranlaßt,

    die Gleichstellung auch in den Besoldungen klarzustellen,

    haben -herjchehört - GESTREIKT -

    und werden seither wie Minister und Staatssekretäre besoldet.

     

    Hinzutritt aber vor allem,

    daß - beginnend mit den Italienern -

    die gesamte Südschiene Nägel mit Köppen gemacht hat -

    "Italiens Justiz ist so unabhängig wie keine andere in den westeuropäischen Demokratien. Zwar hat das Land ein Justizministerium – doch der Minister hat recht wenig zu sagen. Beförderungen, Versetzungen, Disziplinarmaßnahmen: Alle diese Fragen regelt die Justiz in vollkommen autonomer Selbstverwaltung, über den „Obersten Rat der Magistratur. . ."

    (Michael Braun inne taz 09.10.2012)

    Da - liegt die Latte.

     

    Dagegen nimmt sich das nunja Staatsstreichchen hessischer Richter mit dem Ziel einer eigenen, von der Exekutive abweichenden Besoldung

    wegen Dritte Gewalt -

    geradezu zahm aus;

    Folge war die R-Besoldung

    (&ein beliebter Anlaß für neidische Sotissen von "Verwaltungsleuten",

    liegt deren Eingangsbesoldung A 14 doch geringfügig niedriger als R 1)

     

    Diese bis heute auch im öffentlichen Bewußtsein vorherrschende

    (und zu meinem Erstaunen auch vielen Richterkollegen gar nicht so fremde)

    - und - sorry - auch hier widergekäute dysfunktionale Sicht auf die drei Gewalten,

    und zwar zu lasten der Dritten Gewalt – ist schlicht zumindest antiquiert -

    wenn nicht gar "unerfülltes Grundgesetz"

    Sie muß aber unabdingbar gerade hier mitgedacht werden.

    Sonst bläst man eine notwendige, aber letztlich selbstverständliche Auseinandersetzung um eine angemessene Besoldung süffisant zu einem Popanz auf.

    Und eben das – ist unangemessen.

    • @Lowandorder:

      ganz klar-Beamte VIPs regeln ihre Gelder selber oder wollen es, man muss nur das Image hochschrauben, bis zum gehtnicht mehr-BT Abgeordnete wolen bezahlt werden, wie die höchsten Richter-Richter wolen bezahlt werden-wie dei BT Abgeordneten-dass die Beamtenschaft, siehe Lehrer , sich als ELITE des Volkes ansehen, wer zweifelt daran, die ArbeiterInnen , die morgens um 6Uhr am Band oder Tresen stehen, oder die Leute , die nachts Zeitungen austragen oder die Bäcker und Metzger , die nachts arbeiten oder der Partieservice, der jetzt zu den Weihnachtsfeiern das Büffet herrichtet , all die sind eben eine oder zwei Stufe tiefer !

  • ". . Es ist eine Gefahr für den Rechtsstaat, wenn sich die Justiz finanziell im Abseits sieht. Aber Richter, die nur aufs Geld schielen, sind auch nicht gut.. ."

     

    Naja - man muß es mögen -

    aber & vorweg -

    Kinder, die nix wollen -

    kriegen auch nix.

     

    Ehe man sich in Statistiken und -

    “kennt man doch“ - verliert -

     

    Mal die Markpoints -

    Die Rechtsprechung ist nach dem

    Grundgesetz -

    Die Dritte Gewalt -

    die den Willen des Souverän -

    des Volkes umzusetzen hat,

    durch Kontrolle der anderen Gewalten.

     

    Und - in den Protokollen zum GG zu entnehmen -

    es sollte aufgrund der braune Erfahrung -

    Abschied genommen werden -

    "vom kleinen preußischen Justizbeamten"

     

    Gelungen ist das bis heute nur bedingt -

    die rechtliche Realität hinter dem Verfassungsanspruch und -auftrag hinterher -

    was schon daraus erhellt -

    daß die Justiz immer noch durch das

    Gerichtsverfassungsrecht von 1870 verfaßt ist.

    ("Richterliche Unabhängigkeit - mir doch egal., solange ich über Einstellung und Beförderung entscheide -

    gilt - mit beachtlicher Ausnahme SH - durchweg bis heute!)

     

    ff folgt

  • Wie ein "angemessener Lebensunterhalt" auszusehen hat, darüber haben Richter ja im Zusammenhang mit Hartz IV bereits selbst geurteilt. Genau da liegt die eigentliche Richtschnur.

    Oder geht es Richtern nur darum, den Abstand in den Lebensrealitäten zwischen sich und denen, über die sie zu urteilen haben, noch weiter zu vergrößern? Gibt es etwa nicht schon genug selbstgefällige Klassenjustiz in diesem System?

    • @Rainer B.:

      Haha :D Gute Anspielung. Aber vergessen Sie nicht, dass der Prüfungsmaßstab bei Hartz 4 nicht die Höhe des Satzes, sondern die Frage "angemessen" oder nicht umfasste.

       

      Die Richter zwangen die Legislative zu einer Neuregelung, die dann natrlich so gering wie nur irgendwie möglich ausfiel.

      • @Kain:

        Ich seh da keinen substanziellen Unterschied. Wie Beamte haben Richter nur einen Anspruch auf „angemessenen“ Lebensunterhalt.

        Warum sollte ein "armer" Richter schlechter urteilen als ein "reicher" Richter? Entscheidend ist doch nur, dass der Richter überhaupt einen Lebensunterhalt hat. Die Unabhängigkeit eines Richters wird auch nicht größer dadurch, dass man Ihm die Taschen voller macht.

  • Warum urteilen die Richter nicht einfach, dass - im Zweifelsfall zusätzlich zu anderen Maßnahmen - der Gesetzgeber den irrwitzig hohen Gehältern in der Wirtschaft einen Riegel vorschieben soll? Das verringert dann gleichzeitig auch den Abstand zwischen Bezügen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst. Dass in der freien Wirtschaft ein Firmenchef 300-mal so viel verdient wie ein einfacher Arbeiter der gleichen Firma, widerspricht doch eigentlich auch dem Grundsatz, dass alle Menschen gleich sind. Ein Verhältnis von 1:30 oder maximal 1:50 wäre da doch angemessener, und das kann man doch durchaus gesetzlich festschreiben... Und unsere Regierung wird sich erst dann in so eine Richtung bewegen, wenn sie vom Verfassungsgericht gezwungen wird.